Merani und die Schlange unter dem Meer
Dann aber handelten sie so, wie es von Gurrims zu erwarten war. Sie ersetzten die leeren Magiekristalle der Flammenlanzen durch neue, häuften Felsbrocken und Steine als Schutzwälle auf und verteilten sich, damit herabfallende Felsblöcke immer nur einen Teil von ihnen treffen konnten.
»Sie reagieren, als wären sie welche von uns«, sagte Girdhan mit widerwilliger Anerkennung.
»Sie sind welche von uns – oder besser gesagt, wir sind welche von ihnen«, warf der Kommandant der gurrländischen Truppen nachdenklich ein.
Da die Aktion gelungen war, wurden Burlikk und dessen Begleiter freundlicher behandelt und erhielten auch etwas zu essen. Wuzz und Tarr starrten misstrauisch in ihre Näpfe, während Burlikk, der bereits im Palast der Lin’Velura gespeist hatte, beherzt zulangte.
»Schmeckt gut!«, sagte er mit vollem Mund und brachte seine Kameraden dazu, ebenfalls einen Löffel Eintopf zu probieren.
»Ist wirklich nicht übel«, stimmte Wuzz ihm zu.
Tarr hingegen pfiff anerkennend durch die Zähne. »Einen Unterschied gibt es zwischen den hiesigen Gurrims und uns. Ihr Essen schmeckt weitaus besser als der Fraß, den wir bekommen.«
Girdhan, der sein Essen auch nicht gerade manierlich in sich hineinstopfte, musste lachen. »Das sind ein paar blaue Rezepte, die wir für uns abgewandelt haben. Als blaue Hexe muss sich auch meine Frau hier auf Gurrland wohlfühlen können. Ihr solltet erst mal die Goldgarnelen probieren, die unsere Köchin auf den Tisch bringt. Dabei gehen euch die Augen über!«
Der Magierkaiser hatte die drei Deserteure ebenfalls als Freundeanerkannt und bezog sie in die Unterhaltung mit ein. Aber er erkannte bald, dass der Wissenshorizont der beiden niedrigerrangigen Gurrims recht eingeschränkt war. Burlikk hingegen erwies sich als munterer Gesprächspartner und konnte sogar Witze reißen. Eines verwunderte Girdhan allerdings: Für die drei schien es kein anderes Leben zu geben als das eines Soldaten im Heer des Schwarzen Landes.
»Habt ihr denn keine Dörfer und Städte und bearbeitet ihr nicht das Land?«, fragte er nach einer Weile.
»Doch«, antwortete Burlikk. »Aber die Arbeit dort machen die Frauen, bis auf die wenigen, die in den Amazonenregimentern dienen. Die Männer verbringen den größten Teil ihres Lebens in der Armee, wenn auch nicht unbedingt bei den Kampftruppen. Schließlich brauchen wir auch Waffenschmiede und andere Handwerker, die unsere Ausrüstung anfertigen und in Schuss halten. Sobald wir auf zwei Beinen stehen können, werden wir für den Krieg ausgebildet. Mit zweihundert Jahren können dann diejenigen das Militär verlassen, die mindestens sechs Auszeichnungen errungen haben. Diese werden einer Siedlung zugeteilt und sollen sich dort eine Frau aussuchen.
Unser Wuzz wäre bald so weit. Er hatte gehofft, nach dieser Expedition seine sechste Auszeichnung zu erhalten und in den Ruhestand treten zu können. Aber wie es jetzt aussieht, wird er noch weitere sechzig Jahre dienen müssen. Wenn unser Gott und die beiden Göttinnen wirklich mit den Dämonen des Westens einen Waffenstillstand schließen, hat er keine Chance mehr, sich seinen letzten Orden zu verdienen.«
»Das ist auch nicht schlimm«, warf Wuzz ein. »Ich bin gerne Soldat in der Armee des Schwarzen Landes. Allerdings gelten ich und meine Freunde derzeit als Deserteure. Daher mache ich mir Sorgen, was man daheim mit uns machen wird. Wenn wir Pech haben, werden wir als Verräter hingerichtet.«
»Dann bleibt doch bei uns«, schlug Girdhan vor. »Bei uns gibtes hübsche Mädchen, kräftig, gesund und mit ausgezeichneten Zähnen.«
»Es wird uns wahrscheinlich gar nichts anderes übrig bleiben.« Tarr wirkte dabei nicht gerade glücklich. Auch wenn die Insel hier schön war und das Essen besser als daheim, so sehnte er sich doch in Giringars Reich zurück.
Auch Burlikk dachte über dieses Problem nach. »Die eigentlichen Deserteure sind Gynrarr und seine Magier. Sie haben Tharon in den Tod geschickt und Sirrin und ihr Gefolge ermordet. Daher ist es unsere Pflicht, in die Heimat zurückzukehren und dort Bericht zu erstatten.«
»Wem?«, fragte Tarr bissig. »Irgendeinem Schwertmagier, der uns sofort beseitigen wird, damit wir den Ruf seines Ordens nicht beschmutzen können? Oder glaubst du, du kommst zu einem der beiden engsten Gefährten Giringars durch?«
»Das sicher nicht! Aber wenn wir unseren Bericht zuerst der Lin’Velura übergeben, besteht eine Chance, dass er die richtigen Leute erreicht.
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