Merani und die Schlange unter dem Meer
du bereit?«, fragte Sirrin angespannt.
»Von mir aus kann es losgehen. Ich muss nur Kontakt zu Argo halten und ihm zeigen, wie es geht. Careedhal soll hier an der Oberfläche bleiben. Wir brauchen ihn als Eingreifreserve, wenn etwas schiefgehen sollte«, sagte Regandhor, als er die Enttäuschung des Kleinen wahrnahm.
Careedhal war klar, dass es sich um eine Ausrede handelte. Wie sollte er etwas schaffen, bei dem die beiden großen Arghan versagten? Gleichzeitig verspürte er den Wunsch, ebenfalls in die Tiefe zu tauchen. Es war ähnlich stark wie jenes Gefühl, durch das er den seltsamen Kristall entdeckt hatte, der Meranis Geist an diese Stelle gelockt hatte. Auch hier wartete etwas in der Tiefe darauf, von ihm gefunden zu werden.
Unterdessen erklärte Regandhor Argo noch einmal, wie er als Arghan seine Körperfunktionen durch Magie erhalten konnte. Dann zeigte er mit einem unternehmungslustigen Grinsen nach unten.
»Auf geht’s!« Nach diesen Worten tauchte er ab, wobei er alle viere wie Paddel benutzte und mit seinem langen Schwanz steuerte.
Argo folgte ihm und freute sich, weil er kaum hinter dem großen Roten zurückblieb. Magie strömte ihnen hier reichlich zu, aber ihre besonderen Kräfte sorgten dafür, dass sie weder Atemnot spürten noch den mit der Tiefe zunehmenden Druck. Trotzdem wusstenbeide, dass es eine Reise ins Ungewisse war. Wenn nur eine Kleinigkeit schiefging, konnten auch sie sterben.
4
Careedhal blieb zunächst an der Oberfläche und schwamm nervös hin und her.
»Was ist denn los?«, fragte ihn seine Schwester genervt. Argeela hatte nicht verwunden, dass ihr Bruder ein Arghan geworden war, und fühlte sich vom Schicksal zurückgesetzt. Sie erhielt aber keine Antwort, denn mit einem Mal holte Careedhal tief Luft und tauchte in die Tiefe.
»He! Was machst du da? Das sollst du doch nicht tun!«, rief seine Schwester empört hinter ihm her. Dann wandte sie sich verärgert zu Tirah und dem Runimädchen um. »Wenn alle so verrückt sind wie mein Bruder, ist es wirklich kein Wunder, dass die Arghan fast ausgestorben sind.«
»Vielleicht hat er etwas bemerkt, das ihn gerufen hat«, antwortete Hekendialondilan nachdenklich.
Tirah schüttelte den Kopf. »Es hat ihn nicht gerufen. Er hat es nur entdeckt, weil er so scharfe Sinne besitzt. Es kann ein Stück Kristall sein, ein wertvolles Schmuckstück aus Gold oder Ähnliches. Aber genauso gut kann es sich um ein gefährliches Artefakt handeln.«
»Dann wollen wir nur hoffen, dass es kein Artefakt ist, und wenn doch, dass er es nicht hochbringt. Aber was rede ich! Bevor er hundert Manneslängen getaucht ist, gibt er eh auf und kommt zurück.« Trotz ihrer bissigen Worte hatte Argeela Angst um ihren Bruder und noch mehr um ihren Vater. Argo wurde jedoch von einem erfahrenen Arghan angeleitet und würde sich zu helfenwissen. Careedhal hingegen war noch ein Arghanbaby, das noch nicht einmal richtig laufen konnte.
Weit entfernt, sich so hilflos zu fühlen, wie seine Schwester ihm unterstellte, tauchte der junge Arghan hinter den beiden großen her. Zuerst hielt er die Luft an, merkte aber rasch, dass es auf diese Weise nicht ging. Auch wurde der Druck auf seinen Körper stärker, und er hatte Schwierigkeiten, Tiefe zu gewinnen. Es muss anderes gehen, sagte er sich, während er kräftig strampelte. Regandhor hatte gesagt, ein Arghan müsse sich in extremen Situationen magisch erhalten. Doch wie sollte das gehen? So etwas hatte er während seiner Adeptenausbildung jedenfalls nicht gelernt.
Wütend schlug er mit dem Schwanz und geriet ohne Vorwarnung in eine gelbe Magieschwade. Seine Haut brannte, und er schloss die Augen, um sie zu schützen. Gleichzeitig aber merkte er, wie ein Teil von ihm das Gelb einfach ansog und in grüne Magie umwandelte, die für ihn verträglicher war. Dabei verminderte sich der Druck, der auf ihm lastete, und seine Atemnot schwand.
»So geht das also«, dachte er, blies die restliche Luft aus den Lungen und schoss wie ein Pfeil hinter den beiden großen Arghan her.
5
Merani fand es angenehm, als Geist an Regandhor klebend, in die Tiefe gebracht zu werden, und genoss die Situation beinahe wie einen interessanten Ausflug.
Sirrins Geist aber glühte vor Aufregung. »Sind wir richtig? Ich fühle noch nichts!«, fragte sie mehrmals.
Anfangs entdeckte Merani ebenfalls nur die magischen Wirbel, die das Wasser aufheizten. Dann aber nahm sie das Ziel durch RegandhorsSinne wahr. »Wir sind bald da, Sirrin.
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