Merani und die Schlange unter dem Meer
Geist auf diese fürchterliche Reise gegangen war. Die erste Erleichterung wich jedoch der Angst, niemals mehr in ihren Körper zurückkehren zu können.
Das Wasser um sie herum wirkte wie eine undurchdringliche Mauer, und es war so dunkel, dass sie die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Aber ihre speziellen Sinne nahmen die Umgebung dennoch deutlich wahr. Um sie herum tobten Magien in sämtlichen Farben der Götter, und die Wucht der Gegenfarbenexplosionen beutelte sie so, dass sie befürchtete, ihr Geist würde unter den Erschütterungen wie Glas zersplittern.
Nun wurde ihr klar, wo sie sich befand, nämlich an dem Ort, an dem die magischen Stürme entstanden und ihren Weg über den Archipel antraten. Weiter unten ging das Toben zum Glück in beinahe friedlich aufsteigende Ströme aller Farben über, und Merani hoffte, der Kraft, die sie im Griff hielt, nun entkommen zu können. Da fielen ihr zwei intensiv leuchtende Punkte unter ihr auf. Es waren nur zwei winzige Flämmchen in einem Meer aus magischem Licht. Doch genau darauf wurde sie zugezogen. Mit etwas Mühe gelang es Merani, ihren Geisterkörper so zu drehen, dass sie nach unten schauen konnte. Sie entdeckte ein Grün ähnlich dem der Malvoner, aber kraftvoller und dichter, und nicht weit davon eine magische Farbe, die sie nach einigem Tasten als Violett einstufte.
Gleichzeitig wurde es um sie herum heller, und sie konnte ihreUmgebung auch wieder mit den Augen wahrnehmen. Riesige, lang gezogene Felsformationen, die ein von Schlieren anderer Farben durchzogenes Violett ausstrahlten, ragten vor ihr in die Höhe. Ein Stück weiter tauchte eine Höhle vor ihr auf, die wie das Maul eines gewaltigen Tieres wirkte. Merani schwamm hinein und entdeckte eine Felsenzunge, die weit in die Höhle hineinragte. Genau an der Spitze dieser Zunge befand sich der violette Punkt.
Als Merani sich darauf zubewegte, sah sie, dass eine schmale, den Runi ähnelnde Gestalt aus dem Felsen herauswuchs. Sie bestand ebenfalls aus Stein und stellte ein Mädchen dar, das etwas älter sein mochte als sie selbst – mit zierlichem Körper und langen Haaren. Seine weit geöffneten Augen wirkten auf eine seltsame Art und Weise lebendig und schienen sie anzublicken.
Vorsichtig berührte Merani es, und in dem Moment kehrte die Angst, ertrinken zu müssen, mit voller Wucht zurück. Sie zuckte zurück, und das Gefühl schwand wieder. Noch einmal griff sie nach der Versteinerten, strich ihr über die ausgestreckte Hand und spürte, wie jemand ihren Geist berührte. Nun begriff sie, dass sie die verzweifelten Gedanken des Mädchens vernahm.
Von dem violetten Punkt führte eine Art magischer Faden zu einem grünen Punkt, der sich ein kleines Stück außerhalb des violetten Felsengebildes befand. Als Merani darauf zuschwamm, entpuppte dieser sich ebenfalls als ein versteinertes Mädchen. Das Seltsamste aber war, dass beide Mädchen abgesehen von ihrer Götterfarbe einander glichen wie ein Ei dem anderen.
Noch während Merani sich wunderte, hörte sie wie aus weiter Ferne eine Stimme. »Merani! Bei Ilyna, wach auf!«
Gleichzeitig schloss sich eine riesige blaue Hand um sie und riss sie hoch.
»Nein, nicht!«, wollte Merani noch rufen, doch da erlosch ihr Geist wie eine Flamme im Wind.
12
Als Merani erwachte, lag sie auf ihrem Bett. Im Hintergrund saßen Argeela und Careedhal, während Qulka zu Meranis Mutter hochblickte, die mit magisch blau leuchtenden Augen neben ihr stand. Als Mera merkte, dass ihre Tochter wieder bei sich war, packte sie Merani und zog sie auf sich zu. »Du närrisches Ding! Wie oft haben Yanga und ich dich gewarnt, keine Experimente auf eigene Faust anzustellen? Aber du willst einfach nicht hören. Jetzt hast du erst einmal Zimmerarrest. Das hier nehme ich in Verwahrung!«
Die Magierkönigin hielt ihrer Tochter ein mit Silbertuch umwickeltes Ding vor die Nase. Merani begriff sofort, dass es sich um den violetten Kristall handelte.
»Mama, bitte! Dieser Kristall … Ich muss dir etwas erklären. Es ist sehr wichtig!«
»Dazu habe ich jetzt keine Zeit. Der nächste magische Sturm zieht auf, und Girdhan benötigt dringend meine Hilfe. Du, junge Dame, wirst in den nächsten Wochen sehr brav sein, verstanden? Sonst werde ich bitterböse.« Mit diesen Worten wandte Mera sich ab und verließ mit raschen Schritten das Zimmer.
Merani sah ihrer Mutter mit Tränen in den Augen nach. Diese Behandlung hatte sie ihrer Ansicht nach wirklich nicht verdient. Traurig und
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