Merani und die Schlange unter dem Meer
klatschte in die Hände. Sofort eilten mehrere junge Burschen heran und nahmen Qulka trotz ihres Protestes den großen Packen und etliche Taschen ab.
»Hab dich nicht so, Qulka, sondern sei froh, dass man dir hilft. Im Gegensatz zu dir sind diese Männer gewohnt, die steilen Schiffstreppenzu benutzen. Du würdest unter der Last vielleicht abrutschen und hinunterfallen, und danach müsste ich dir deine gebrochenen Knochen mit Heilmagie wieder zusammenflicken.«
Meranis scharfe Worte reichten aus, um Qulka zum Schweigen zu bringen. Mit mürrischer Miene folgte sie den Matrosen in den Bauch des Schiffes hinab und begann, das Gepäck ihrer Herrin und auch das der Zwillinge in den Truhen zu verstauen, die Kipan in weiser Voraussicht hatte bereitstellen lassen.
Unterdessen stieg Merani auf das leicht erhöhte Achterdeck und lehnte sich gegen die Reling. Als die Küste hinter der »Blaumöwe« zurückblieb, fühlte sie einen Klumpen im Magen.
»Jetzt hab dich nicht so«, schalt Merani sich selbst.
»Was ist los?«, wollte Argeela wissen.
»Nichts!«, antwortete Merani unwirsch und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. Sie liebte Gurrland so sehr wie ihre Mutter die Insel Ilyndhir, und der Gedanke, dass ihrer Heimat Gefahr drohen könnte, hatte etwas Erschreckendes an sich. Umso wichtiger erschien es ihr daher, ihr eigenes Vorhaben zu einem guten Ende zu bringen. Sie fasste ihre beiden Mitverschworenen unter und zog sie an sich. »Endlich sind wir unterwegs. Unser nächstes Ziel ist der Hexenwald.«
»Vorher werden wir aber noch Königin Ilna V. unsere Aufwartung machen müssen. Es wäre mehr als unhöflich, es nicht zu tun«, wandte Careedhal ein.
Merani nickte unglücklich. Es war nicht immer hilfreich, die Tochter des Magierkaiserpaares von Gurrland zu sein. Das brachte zwar etliche Annehmlichkeiten, aber auch viele Verpflichtungen mit sich. Gerade jetzt hätte sie liebend gerne auf einem Empfang am Hof von Ilynrah verzichtet. Aber Careedhal hatte recht. Einen Affront der Königin von Ilyndhir konnten sie sich nicht leisten.
»Na ja, dann sehen wir halt zu, dass wir das Ganze so schnell wie möglich hinter uns bringen«, sagte sie seufzend, während die Küste Gurrlands am Horizont versank.
14
Die »Blaumöwe« war ein schnelles Schiff und wurde ausgezeichnet geführt. Es war, als schwebe sie wie eine rasch ziehende Wolke über die See, und für einige Tage blieben alle Probleme der Welt hinter Merani und ihren Freunden zurück. Die drei standen am Bug und sahen den fliegenden Fischen zu, die immer wieder aus dem Wasser herausschnellten und ihre großen Flossen wie Flügel benutzten. Gelegentlich beobachteten sie einen größeren Fisch, der sich einen Spaß daraus zu machen schien, einen der fliegenden Fische im Flug zu fangen.
»Was ist das für ein Tier?«, wollte Merani von Kipan wissen, der sich für einen Augenblick zu ihnen gesellt hatte.
»Die Fischer nennen ihn den Treiberfisch, weil er ihnen immer wieder Fischschwärme zutreibt. Sie sagen, er sei sehr klug, und wer die Gabe besitzt, könne mit ihm sprechen.«
Bei diesen Worten sahen Merani und Careedhal einander an. Sie waren beide magisch begabt, hatten aber bis zu diesem Tag noch keine Erfahrungen mit Tiermagie gesammelt. Nun aber packte beide der Wunsch, sich mit dem schlanken Fisch mit der sichelartig gebogenen Rückenflosse zu verständigen.
Als einer der kleinen fliegenden Fische zu nahe an der »Blaumöwe« vorbeiflog und ein Windstoß ihn auf das Deck klatschen ließ, packte Merani ihn und hielt ihn hoch in die Luft.
»He, Großer, hier habe ich etwas für dich!«, rief sie sowohl mit dem Mund wie auch magisch und warf ihre Beute in die Richtung des großen Treiberfisches. Dieser drückte sich mit seiner waagrecht angeordneten Schwanzflosse ab, schoss aus dem Wasser heraus und schnappte nach Meranis Fisch. Dabei drehte er sich zweimal um seine Achse und tauchte wieder ins Wasser ein, ohne dass mehr als ein paar Spritzer aufstoben.
Merani schnaufte ein wenig enttäuscht, denn sie hatte gehofft, das Tier würde sich wenigstens bei ihr bedanken. Doch als sie sich abwenden und in ihre Kabine zurückkehren wollte, stieß Careedhal sie an. »Schau!«
Der große Fisch war wieder aufgetaucht und tanzte nun auf seiner Schwanzflosse neben der »Blaumöwe« her. Dabei stieß er keckernde Laute aus, die Merani an Timpo, das Schoßtierchen ihrer Urgroßmutter, erinnerten.
Merani winkte dem Fisch zu und hörte im selben Augenblick
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