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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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Fenstersitz neben Ryan und wir stecken die Köpfe vor dem Display zusammen. „Ich bin da, Lauren“, murmle ich. „Schieß los.“
    „Vor unserem Haus steht dauernd ein Mann, jetzt auch“, sagt sie mit hoher, panischer Stimme. „Und ich glaube, ich kann ihn als Einzige sehen. Immer wenn ich aus dem Fenster schaue, ist er einfach … da.“
    Mir wird eiskalt, als ich das höre.
    „Beschreibe ihn“, sage ich.
    „Das kann ich nicht, ehrlich“, sprudelt sie hervor. „Ich kann keine Einzelheiten erkennen, weil er so leuchtet – oder vielmehr das komische Gewand, das er anhat. Kann sein, dass er dunkle Augen und dunkle Haare hat, aber ich bin mir nicht sicher. Wenn ich ihn ansehe, wird mir schwindlig und alles verschwimmt vor meinen Augen. Er ist da und doch wieder nicht. Ich kann’s nicht erklären.“
    Uriel sagt plötzlich in meinem Kopf: Die Farbe des Lichts. Frag sie.
    Ich senke die Stimme und sage so ruhig und normal wie möglich: „Keine Angst, Lauren, alles wird gut. Sag mir nur, welche Farbe seine … ähm … Aura hat.“
    Lauren ist den Tränen nahe. „Es ist ein ganz helles Licht, aber mit einem Graustich. Klingt bescheuert, ich weiß … Oh Gott, du musst mich für völlig durchgeknallt halten. Ich kann es kaum ertragen, ihn anzuschauen, aber Dad behauptet, da sei nichts. Und trotzdem ist er da, die ganze Zeit, ich schwör’s. Nicht Dad, sondern der Stalker. Sogar wenn ich schlafe. Oder aufwache. Ich kann rausgucken, wann ich will, er ist immer da.“ Ihre Stimme wird jetzt schrill, klingt fast wie ein Schrei.
    „Wie lange geht das schon?“, fragt Uriel scharf.
    „Lauren“, sagt Ryan beruhigend, als seine Schwester sich die Hand vor den Mund schlägt und weint. „Lauren. Wie lange geht das schon so? Sag doch!“
    „Zwei Tage vielleicht?“, schluchzt sie. „Bin mir nicht sicher, wann ich ihn das erste Mal bemerkt habe. Was mach ich denn jetzt? Was in aller Welt soll ich tun?“
    Ryan sagt heftig: „Du holst jetzt Mom und Dad und verschwindest. Und nimmt Rich mit, wenn du meinst, aber es muss schnell gehen. Ihr müsst aus Paradise verschwinden, sofort. Erzähl ihnen alles.“
    Uriel und ich wechseln einen besorgten Blick miteinander und er murmelt: „Ich weiß nicht, ob das so gut ist, Ryan. Wenn sie aus Paradise fliehen, wird es vielleicht noch gefährlicher für sie …“
    „Luc lässt das Haus beobachten“, stößt Ryan heftig hervor. „Wir sind nicht unverletzlich, so wie ihr, und du kannst nicht verlangen, dass meine Familie dableibt und sich als Zielscheibe anbietet.“
    Ich denke schaudernd daran, was Luc mir in Mailand gesagt hat, als er mir wie eine Vision in Irinas Limousine erschienen ist: Komm zu mir. Nur dann bist du in Sicherheit. Hüte dich vor den Acht und ihren Heerscharen, meide sie wie die Pest. Aber sollte ich scheitern, dann finde diesen jungen Sterblichen und kehre mit ihm an seinen Heimatort zurück. Nach Paradise. Auch er wird in der Endabrechnung bedacht, wenn alles Unrecht, das mir angetan wurde, hundertfach mit Blut vergolten wird.
    „Schick Hilfe!“, sagt Ryan heftig und funkelt Uriel an. „Das kannst du doch, wenn du willst?“
    Uriel runzelt die Stirn. „Alle Elohim und Malachim, die wir im Kampf gegen Luc entbehren können, versammeln sich an einem Ort, den nur Michael kennt, und warten auf seine Befehle. Michael ist unser Vizekönig – der, der im Namen unseres Herrn regiert. Aber jetzt ist er verschollen, und ich bin hier auf mich allein gestellt und ganz ohne Nachricht, wo die anderen sich aufhalten. Sobald wir Gabriel gefunden haben, schicken wir Hilfe. Aber zuerst müssen wir ihn befreien. Das hat Vorrang.“
    „Wie kann Gabriel wichtiger sein als die Menschen, die ich liebe?“, donnert Ryan.
    Ins Display sagt er: „Du musst weg aus Paradise, Lauren! Und nimm unsere Eltern mit. Wenn sie es nicht schon wissen, dann sag ihnen warum, aber sorg dafür, dass ihr von dort verschwindet.“
    Lauren, die immer noch weint, legt wortlos auf.
    Ryan wirft das Telefon auf seinen Sitz, dann stürmt er den Gang hinunter.
    Er kommt nicht zurück, bis der Zug an Kilometer 104 hält und er mit uns aussteigen muss.
    Ryan weicht meinen Blicken aus und Uriel ignoriert er ganz und gar. Wir setzen unsere Kapuzen auf und laufen im strömenden Regen etwa hundert Meter weit zu einem kleinen Wachhaus, das an einer schmalen Fußgängerbrücke steht, die über den schäumenden Urubamba River führt. Der Boden ist schlammig und rutschig, weil der Fluss über die

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