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Mercy, Band 4: Befreit

Mercy, Band 4: Befreit

Titel: Mercy, Band 4: Befreit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilse Rothfuss
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ich böse, damit er mir meine Angst nicht anmerkt. „Allein wärst du ihm schutzlos ausgeliefert.“
    „Dann lass mich bei dir bleiben“, erwidert Ryan treuherzig. „Ich kann dir Rückendeckung geben, wenn’s hart auf hart kommt.“ Grinsend fügt er hinzu: „Oder hast du ein Problem damit?“
    „Das einzig Vernünftige wäre, wenn ich verschwinde und nie wieder zurückkomme. Und zwar jetzt sofort. Das weißt du so gut wie ich.“
    „Aber wo bleibt dann der Spaß?“, murmelt er. „Und ein bisschen Spaß haben wir beide verdient, finde ich.“
    „Spaß“, wiederhole ich fassungslos. „In eine Falle tappen, die eindeutig von Lucs stärksten Dämonen gestellt wurde, das ist kein Spaß. Sondern einfach nur dumm.“
    „Ja und? So sind wir eben – eine dumme, unbelehrbare Spezies“, sagt Ryan und grinst noch breiter, als er mein Gesicht sieht. „Streitlustig. Stur. Verbohrt. Hitzköpfig. Das macht uns Menschen doch so liebenswert.“
    „Lenk nicht vom Thema ab. Du könntest sterben“, wiederhole ich.
    „Aber die Chance, dass ich sterbe, ist vermutlich geringer, wenn ich bei dir bin“, bettelt Ryan. „Weil du natürlich alles tun wirst, um mich am Leben zu halten. Das weiß ich.“
    „Du wärst mir nur im Weg“, stoße ich hervor.
    „So wie du mir damals?“, schießt er zurück. „Und du siehst doch, was passiert ist. Du hast Lauren gefunden. Du hast ihr das Leben gerettet. Zusammen können wir sehr viel Gutes bewirken.“
    Er tritt vor, nimmt meine Hand. „Also abgemacht? Eine letzte gemeinsame Mission, bevor du mich endgültig verlässt?“
    Beklommen schaue ich in sein Gesicht, sehe Dämonenfeuer vor mir, das nicht mit Wasser gelöscht werden kann, Fleisch, das zu Asche verbrennt.
    „Unter einer Bedingung“, murmle ich. „Du kannst jederzeit abhauen, wenn dir danach ist. Ich zwinge dich zu nichts.“
    „Okay, ich steige aus, wenn es mir zu viel wird“, stimmt Ryan ernst zu. „Keine Verpflichtungen.“
    Aber das stimmt nicht. Wir spüren die Bande zwischen uns, auch wenn wir sie nicht sehen. Unsere Worte sind zugleich sinnlos und bedeutungsschwer.
    Ryan schlingt seine Arme um mich und drückt seine Lippen auf meine Stirn, vorsichtig, damit ich mich nicht wieder in eine Lichtwolke verwandle. Dann blickt er mir tief in die Augen und lächelt schief.
    „Irgendwann sträubst du dich nicht mehr dagegen“, murmelt er. „Ich mach einfach weiter, bis du aufgibst. Ich hol dich schon noch aus deinem Panzer hervor.“
    Ich zittere in seinen Armen und Ryan lacht leise – ein Lachen, das mich dahinschmelzen lässt. Er will noch mehr sagen, will mich sogar wieder küssen, doch da zerreißt ein teuflischer Chor die Stille. Unzählige Stimmen kreischen ohne Worte, strömen aus allen Richtungen zusammen, sprechen keine Sprache, die je von Elohim ersonnen wurde.
    Mit wachsendem Grauen klammern Ryan und ich uns aneinander fest, als das Licht in irrem Stakkato-Rhythmus wie Maschinengewehrfeuer durch die Turmfenster pulst. Ein strahlend helles Licht mit einem fahlgrauen Fleck in der Mitte, der einer Geschwulst gleicht. Dämonenlicht. Dann fängt die Zeit an zu rasen und stockt doch zugleich und die eisernen Rahmen der Fenster biegen sich unter einer unvorstellbaren Kraft nach innen, krachen plötzlich in den Turm. Sekunden später zerspringt das Glas und zerstäubt zu einem Pulver, das den ganzen Raum erfüllt.

Ryan dreht schnell den Kopf weg und hustet, als das glitzernde, körnige Pulver sich in der Luft verteilt und die verbogenen Fensterrahmen auf den Steinboden krachen.
    Das Licht flutet durch die leeren Fensterhöhlen herein, und das Kreischen wird immer lauter, bis es mir fast die Ohren zerfetzt. Ich weiß, wer dort draußen ist. Luc .
    Ryan torkelt wortlos von mir weg, die Treppe hinauf und verschwindet fluchend um die Ecke. Ich stürze auf die Knie, halte meinen schmerzenden Kopf und frage mich, ob der Lärm ihn um den Verstand gebracht hat. Ich selbst bin auch halb wahnsinnig davon.
    Mitten in dem grässlichen Kreischen höre ich Luc in mein Ohr wispern, als stünde er direkt über mir: Ich komme und hole dich. Wenn nicht jetzt, dann später. Bald. Ich werde dich zur Strecke bringen. Das schwöre ich dir.
    Ein unerträglicher Druck lastet auf mir. Die Luft ringsum wird flüssig, schmilzt. Hass steigt in mir auf, etwas abgrundtief Böses.
    Luc kann mir körperlich nichts anhaben, aber sein Zorn macht die Luft selbst zur Waffe. Von allen Seiten bedrängt sie mich, ich liege hilflos am Boden,

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