Mercy - Die Stunde Der Rache Ist Nah
fragte er noch einmal und drückte mehrmals rasch
hintereinander auf die Gabel. »Hallo?« Nichts.
»Hallo? Hallo? Verdammt!«
Sie hatte aufgelegt. Mit plötzlich schweißnassen
Händen legte er den Hörer auf. Er hatte das Gefühl, ein kaltes Messer hätte
ihn ins Herz getroffen. Die Stimme war ihm vertraut vorgekommen.
Jennifer.
Sie war die Einzige gewesen, die ihn je RJ
genannt hatte. Verdammte Scheiße. Er schluckte. Befahl sich, nicht in Panik
auszubrechen.
Es muss jemand sein, der sie
imitiert.
Was zum Teufel ging hier vor? Er wälzte sich aus
dem Bett, zog T-Shirt und Khakis an, die er über den Stuhl gehängt hatte, dann
ging er barfuß im flackernden Lichtschein des über dem Eingang angebrachten
Neonschildes zur Rezeption. Es fuhren nur wenige Autos vorbei. Die Nachtluft
war frisch und fühlte sich gut auf seiner Haut an. Drinnen waren die Lichter an
- gedämpft, aber eingeschaltet. Eine Pfütze Kaffee, nicht mal eine Tasse,
simmerte wie Öl auf der Warmhalteplatte. Hinter dem Empfang befand sich
niemand. Bentz betätigte die kleine Klingel und wartete eine halbe Minute,
dann klingelte er erneut, genau in dem Augenblick, in dem Rebecca durch die Tür
mit der Aufschrift NUR FÜR ANGESTELLTE schlüpfte. Ohne Make-up und mit offenem
Haar, das ihr locker über die Schultern fiel, sah sie viel jünger aus. Und
unfreundlicher. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie und blickte demonstrativ
auf die Uhr. »Ist etwas nicht in Ordnung?« Sie griff bereits nach dem
Zweitschlüssel zu seinem Zimmer, da sie offenbar annahm, er habe sich
ausgesperrt. »Ich muss nur wissen, ob Sie die in den Zimmern eingehenden
Anrufe registrieren.«
»Wie bitte?« Sie unterdrückte ein Gähnen und
versuchte, nicht ungehalten zu klingen, was ihr jedoch kaum gelang. »Jemand hat
mich angerufen, ohne seinen Namen zu nennen. Ich muss wissen, woher der Anruf
kam.«
»Jetzt?« Sie blickte ihn an, als wäre er
verrückt, dann öffnete sie eine Schublade und holte eine Schachtel Marlboro Lights
und ein Feuerzeug heraus. »Es ist mitten in der Nacht.«
»Ich weiß. Es ist wichtig.« Er griff in seine
Hosentasche und zog die Brieftasche mit seiner Dienstmarke heraus. »Was?«
Plötzlich war sie hellwach. »Sie sind ein Cop?« Mit besorgtem Gesichtsausdruck
warf sie die Zigaretten auf den Tresen.
»New Orleans Police Department.«
»O mein Gott, ich kann hier keinen Ärger
gebrauchen.«
»Es wird keinen Ärger geben.« Er überlegte, ob
es gut gewesen war, ihr die Marke zu zeigen, aber wenigstens hatte er nun ihre
Aufmerksamkeit.
»Sehen Sie«, sagte sie und leckte sich nervös
die Lippen, als hätte sie etwas zu verbergen, »das ... das hier ist kein großes
Unternehmen. Wir sind nicht ... das Hilton, müssen Sie wissen.«
»Aber Sie haben eine zentrale Schaltstelle, die
die eingehenden Anrufe weiterleitet, stimmt's?«
»Ja, ja ... die haben wir.« Sie dachte
angestrengt nach. »Dann hat sie vermutlich auch eine Anruferkennung«, sagte
Bentz. Rebecca nickte. »Ich möchte mir die in meinem Zimmer eingegangenen
Anrufe ansehen.« Sie drückte zwei Finger gegen ihre Schläfe. »Kann das nicht
bis morgen früh warten?«
»Wenn es so lange warten könnte, wäre ich nicht
hier.«
»Okay.« Rebecca seufzte matt und nickte. »Geben
Sie mir eine Sekunde«, sagte sie schließlich und verschwand wieder hinter der
Tür. Bentz ging in der Lobby auf und ab, an Broschüren über Angeltouren,
Kinoprogramme und Museen vorbei. Er konnte nur hoffen, dass seine Dienstmarke
Eindruck auf Rebecca gemacht hatte. Nervös klimperte er mit dem Kleingeld in
seiner Hosentasche, dann trat er an das große Spiegelglasfenster und blickte
hinaus. Nur ein paar Autos standen auf dem Parkplatz.
»Okay, bitte schön.« Rebecca kam mit einem
Ausdruck in die Lobby zurück, den sie ihm reichte. »Nur ein Anruf.«
»Das ist richtig. Danke.« Er betrachtete die
Nummer, die sie in ihrer ordentlichen Handschrift notiert hatte. Ein
Ortsgespräch.
»Gern geschehen«, sagte sie ohne jeden Anflug
von Begeisterung. »Sonst noch etwas?«
»Das genügt.«
»Gut.« Sie nahm ihre Schachtel Marlboro Lights
und das Feuerzeug vom Tresen und folgte Bentz nach draußen. Als er an seinem
Zimmer ankam, hörte er ihr Feuerzeug klicken.
Drinnen nahm er sein Handy und rief die Nummer
auf dem Ausdruck an. Es klingelte zehnmal. Er drückte die Aus-Taste, dann auf
Wiederwahl. Zwölfmal klingeln, kein Anrufbeantworter, keine Mailbox. Er legte
auf und versuchte es ein letztes Mal, wobei er
Weitere Kostenlose Bücher