Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
geleistet, ihn aufzuschlitzen: Ich konnte bleiche Eingeweide und das Weiß von Knochen erkennen, wo die Haut von den Rippen gerissen worden war.
Er könnte noch am Leben sein, sagte ich mir. Meine Ohren klingelten von den Schüssen. Ich atmete zu schwer, und mein Herz raste zu schnell und laut – das hätte genügen können, um das Geräusch seines Herzens, das seines Atems zu übertönen. Sein Körper wies mehr Wunden auf, als ich je an einem Werwolf hatte heilen sehen, viel mehr als an den beiden toten Wölfen oder dem Killer, den ich am vergangenen Abend umgebracht hatte.
Ich sicherte das Gewehr wieder und drängte mich zu den Überresten des Tischs, um Adams Nase zu berühren, aber ich konnte immer noch nicht feststellen, ob er noch atmete.
Ich brauchte Hilfe.
Ich rannte in die Küche, wo, ganz Adams Stil entsprechend, oberhalb der Theke unter dem Wandtelefon eine ordentliche Liste hing. Meine Finger fanden Darryls Namen mit seiner Arbeits-, Heim und Pagernummer in schwarzen Ziffern. Ich legte die Waffe in Griffweite ab, und wählte die Privatnummer.
»Hier spricht der Anschluss von Dr. Darryl Zan. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Piepton oder rufen Sie seinen Pager unter 543 –« Darryls Bassgrollen klang trotz der unpersönlichen Worte vertraut.
Ich legte auf und versuchte die Arbeitsnummer, aber dort war er auch nicht. Ich setzte dazu an, die Pagernummer zu wählen, aber während der letzten vergeblichen Versuche hatte ich begonnen, über unsere Begegnung am vergangenen Abend nachzudenken.
»Das hier ist der falsche Zeitpunkt«, hatte er zu Ben gesagt. Am Vorabend war mir das nicht besonders bedeutsam vorgekommen, aber konnte es sein, dass eine bestimmte Betonung in seiner Stimme gelegen hatte? Hatte er wirklich gemeint, wie ich zunächst annahm, dass Ben besser nach all seinen Problemen in London sein Verhalten ändern sollte? Oder war es um etwas anderes gegangen, wie in »nicht jetzt, wenn so wichtige Dinge auf dem Spiel stehen?« Wichtigere Dinge, wie den Alpha umzubringen?
In Europa gehörte Mord immer noch zu den bevorzugten Methoden, sich ein eigenes Rudel zu verschaffen.
Der alte Leitwolf herrschte, bis einer der jüngeren, hungrigeren dominanten Männer zu dem Schluss kam, dass der Leitwolf schwach geworden war und ihn angriff. Ich wusste von zumindest einem europäischen Alpha, der deshalb jeden männlichen Wolf tötete, der Anzeichen von Dominanz an den Tag legte.
Dank der eisernen Hand des Marrok sahen die Dinge in der Neuen Welt zivilisierter aus. Ein neuer Leitwolf wurde überwiegend von oben eingesetzt – und niemand stellte die Entscheidungen des Marrok in Frage, zumindest nicht so lange, wie ich ihn gekannt hatte. Aber hatte wirklich jemand ohne Hilfe aus Adams Rudel einfach in sein Haus kommen und solchen Schaden anrichten können?
Ich legte den Telefonhörer auf und starrte die Liste von Namen an. Ich konnte es nicht wagen, eine davon anzurufen, bis ich mehr darüber wusste, um was es hier ging. Dann senkte
ich den Blick, und er fiel auf ein Foto in einem Holzrahmen neben der Liste.
Eine jüngere Jesse grinste mich an, einen Baseball-Schläger über der Schulter und die Kappe ein wenig zur Seite geschoben.
Jesse.
Ich griff nach dem Gewehr und rannte die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Sie war nicht da. Ich hätte nicht sagen können, ob es einen Kampf gegeben hatte oder nicht – Jesse lebte in einem wilden Durcheinander, das sich in der Art spiegelte, wie ihr Zimmer aussah.
In Kojotengestalt sind meine Sinne leistungsfähiger. Also versteckte ich beide Waffen unter ihrem Bett, zog mich schnell aus und verwandelte mich.
Jesses Geruch hing überall im Zimmer, aber ich konnte auch den Menschen riechen, der letzte Nacht mit Mac in meiner Werkstatt gewesen war. Ich folgte der Spur seines Geruchs die Treppe hinunter, weil Jesses Duft viel zu ausgeprägt war.
Schon beinahe an der Haustür, ließ mich ein Geräusch innehalten. Einen Augenblick wich ich von der Spur ab. Zunächst nahm ich an, nur gehört zu haben, wie sich ein umgeworfenes Möbelstück absenkte, aber dann bemerkte ich, dass Adam die linke Vorderpfote bewegt hatte.
Als ich das sah, wurde mir klar, dass ich auch das nur sehr schwach wahrnehmbare Geräusch seines Atems hören konnte. Vielleicht waren es nur die schärferen Sinne der Kojoten, aber ich hätte schwören können, dass er zuvor nicht geatmet hatte. Wenn er noch lebte, bestand eine sehr gute Möglichkeit, dass es dabei blieb. Werwölfe sind
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