Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
kam. Er begleitete den walisischen Kartographen David Thompson in
diesen Bereich von Montana und ließ sich dann mit seiner Salish-Gefährtin dort nieder.
Nun kam er auf mich zu und berührte mich mit der Schnauze hinter dem Ohr. Ich brauchte nicht unterwürfig niederzusinken, um kleiner als er zu sein, aber ich hockte mich dennoch hin. Er umschloss meine Nase mit dem Maul und ließ sie wieder los – gleichzeitig Willkommen und sanfter Tadel, obwohl ich nicht sicher war, um was es bei dem Tadel ging.
Sobald er mich losgelassen hatte, stolzierte er an Samuel vorbei und starrte seine Frau nieder, die immer noch im Schnee lag. Sie winselte nervös, und er fletschte unzufrieden die Zähne. Offenbar betrachtete er mich nicht als Freiwild, obwohl er mich einmal gebeten hatte, zu gehen.
Bran wandte Leah den Rücken zu, um Charles anzusehen, der die Verwandlung beendet hatte und nun hoch aufgerichtet als Mensch dastand. Charles’ Züge waren vollkommen indianisch, als wäre das Einzige, das er von seinem Vater geerbt hatte, die Fähigkeit zur Verwandlung.
Man hatte mir erzählt, dass amerikanische Eingeborene dazu tendierten, im Bezug auf ihren Körper schüchtern zu sein. Auf Charles traf das zweifellos zu. Er hatte seine Magie genutzt, um sich Kleidung zu verschaffen, und stand nun in einer fellbesetzten Bärenhaut da, die aussah, als stamme sie aus einem anderen Jahrhundert.
Ich hingegen fühlte mich wie die meisten Gestaltwandler nackt beinahe ebenso wohl wie bekleidet – außer mitten im November in den Rockies, wenn ein kalter Wind aus dem Nordwesten blies und die Temperatur noch weiter senkte und überdies Schnee fiel. Und sobald Charles dazu ansetzte, etwas zu sagen, würde ich zum Menschen werden müssen, damit ich mit ihm reden konnte.
»Mein Vater heißt dich auf dem Territorium des Marrok
willkommen«, verkündete Charles in dem flachen Tonfall der Salish und mit einer kleinen Spur walisischen Lispelns, die bei Bran eigentlich nie zu hören war, es sei denn, er war wirklich wütend. »Er fragt sich jedoch, wieso du dich entschieden hast, gerade jetzt zu uns kommen.«
Ich nahm Menschengestalt an, trat rasch den Schnee weg und kniete mich dann hin, um weiterhin kleiner als Bran zu sein. Die Kälte des Windes und des Schnees unter meinen Schienbeinen raubte mir einen Moment lang den Atem. Samuel stellte sich zwischen mich und den schlimmsten Wind, aber selbst das half nicht viel.
»Ich bin in einer Rudelangelegenheit hier«, sagte ich.
Charles zog die Brauen hoch. »Du riechst nach Blut und Tod.« Er hatte immer eine gute Nase gehabt.
Ich nickte. »Ich habe den Alpha des Columbia-Rudels hergebracht. Er ist schwer verwundet. Ich habe auch die Leiche eines anderen Wolfs dabei, in der Hoffnung, dass jemand hier mir sagen kann, wie er gestorben ist, und wer ihn umgebracht hat.«
Bran gab ein leises Geräusch von sich, und Charles nickte. »Sag uns, was jetzt gleich geschehen muss. Du kannst uns die Einzelheiten später berichten.«
Also fasste ich zusammen, was ich wusste, und so knapp wie möglich, angefangen mit Macs Geschichte, wie er sie mir erzählt hatte, bis hin zu Macs Tod, Adams Wunden und Jesses Entführung. Als ich fertig war, klapperten meine Zähne so sehr, dass ich mich selbst kaum verstehen konnte. Selbst als ich mich wieder in die Kojotin verwandelte, wurde ich nicht wirklich warm.
Bran warf einen Blick zu Samuel hinüber, der einmal bellte und schnell davonrannte.
»Bran wird die Jagd mit den Neuen beenden«, sagte
Charles. »Es ist ihre erste Jagd, und sie sollte nicht abgebrochen werden. Samuel kehrt zurück, um sich um Adam zu kümmern – er nimmt einen kürzeren Weg als die Autos, also wird er vor uns dort sein. Ich fahre mit dir zurück und kümmere mich um deinen Toten.«
Nach Charles’ Worten trabte Bran in den Wald, ohne mir noch einen weiteren Blick zu gönnen. Leah erhob sich aus ihrer unterwürfigen Pose und knurrte mich an – als wäre es mein Fehler, dass sie sich Ärger eingebrockt hatte – und folgte ihm.
Charles, immer noch in Menschengestalt, ging in Richtung der Autos davon. Er war nie sonderlich gesprächig gewesen, und da ich mich immer noch auf vier Beinen befand und deshalb stumm war, machte er sich nicht die Mühe, etwas zu sagen. Höflich wartete er auf der Beifahrerseite des Busses, während ich mich wieder verwandelte und schnell meine Sachen überzog.
Er hatte nichts dagegen, dass ich fuhr, wie es bei Samuel der Fall gewesen wäre. Ich hatte Charles nie
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