Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
auf den Oberschenkeln spielend, wie in Reaktion auf eine Melodie, die ich nicht hören konnte. Das war eine seiner Gewohnheiten; ich hatte ihn selten vollkommen reglos gesehen.
»Ein so altes Artefakt zu tragen, könnte dazu führen, dass sie dich mehr respektieren«, meldete sich Samuel, der inzwischen um den Bus herumgegangen war, zu Wort. »Nimm es mit.«
»Ich will keinen falschen Eindruck erwecken«, erklärte ich.
»Ich erwarte nicht, dass der heutige Abend gewalttätig endet«, sagte Stefan. »Der Dolch wird nichts daran ändern.« Er grinste mich an. »Es ist allerdings in diesem Staat illegal,
eine solche Waffe zu besitzen. Das solltest du nicht vergessen, wenn du ihn mitnimmst.«
Also wickelte ich das Leder ein paar Mal um meine Hüften. Es gab eine handgemachte Schnalle an einem Ende, und ich flocht das andere Ende des Gürtels hindurch und band es fest.
»Zu locker«, sagte Stefan und griff danach, aber Samuel kam ihm zuvor.
»Binde es fester um die Taille«, sagte er und zog den Gurt für mich zurecht. »Dann zieh es über die Hüften, sodass das Gewicht der Klinge dir nicht das ganze Ding auf die Knöchel rutschen lässt.«
Als er zufrieden war, trat er zurück.
»Ich bin nicht der Feind«, erklärte Stefan freundlich.
»Das wissen wir«, sagte ich.
Stefan tätschelte mir die Schulter, fuhr aber fort. »Ich bin auch nicht Ihr Feind, Wolf. Ich setze mehr aufs Spiel als Sie, indem ich Sie unter meinen Schutz nehme. Die Herrin wollte andere nach Ihnen schicken – und ich glaube nicht, dass Ihnen das gefallen hätte.«
»Warum gehen Sie das Risiko ein?«, fragte Samuel. »Warum uns unter Ihren Schutz stellen? Ich weiß ein wenig darüber, was das bedeutet. Aber Sie kennen mich nicht einmal – und Mercy ist nur Ihre Mechanikerin.«
Stefan lachte, die Hand immer noch auf meiner Schulter. »Mercy ist eine Freundin, Dr. Cornick. Und meine Mutter hat mir beigebracht, mich um meine Freunde zu kümmern – Ihre nicht?«
Er log. Ich weiß nicht, wieso ich so sicher war, aber ich wusste es.
Einige Werwölfe wissen genau, wenn jemand lügt. Ich kann das nur bei Personen feststellen, die ich gut kenne und wenn
ich darauf achte. Normalerweise tue ich das nicht. Ich war nie imstande gewesen, irgendetwas an Stefan zu bemerken, nicht einmal die üblichen Gefühle, die mit deutlichen Gerüchen kommen. Und Stefans Pulsschlag und Atmung waren rätselhaft. Manchmal dachte ich, dass er nur atmete, weil er wusste, wie unbehaglich sich die meisten Leute fühlen würden, wenn er das nicht täte.
Dennoch war ich jetzt vollkommen davon überzeugt, dass er gelogen hatte.
»Du hast uns gerade angelogen«, sagte ich. »Warum hilfst du uns wirklich?« Ich entzog mich seiner Hand, damit ich mich zu ihm umdrehen konnte, mit Samuel in meinem Rücken.
»Dafür haben wir keine Zeit«, sagte Stefan, und etwas von der üblichen Lebhaftigkeit verschwand aus seinem Gesicht.
»Ich muss wissen, dass wir uns auf dich verlassen können«, sagte ich. »Oder zumindest wie weit.«
Er machte eine dieser großen Bühnenzauberer-Gesten, riss die Hände hoch und warf den Kopf zurück – und ich spürte einen feinen Mantel der Magie, der sich über uns ausbreitete. Wie Zees Magie schmeckte sie nach Erde, aber es gab auch noch dunklere Aspekte an Stefans Zauber, dunkler als bei allem, was der Gremlin je in meiner Nähe gewirkt hatte.
»Gut«, sagte er. »Aber gebt mir nicht die Schuld, wenn sie miserabel gelaunt ist, weil wir sie warten gelassen haben. Du hast mich heute Abend angerufen, um mich etwas zu fragen.«
»Was haben Sie da gerade getan?«, fragte Samuel leise.
Stefan stieß einen gereizten Seufzer aus. »Ich habe dafür gesorgt, dass wir drei die Einzigen sind, die Anteil an diesem Gespräch haben, denn es gibt Dinge in der Nacht, die sehr gut mithören können.«
Dann wandte er sich wieder an mich. »Als ich unsere Buchhalterin anrief, stellte sie mich direkt zur Herrin durch – und
das ist ungewöhnlich. Unsere Herrin interessierte sich offenbar mehr für deinen Dr. Cornick als für deine Frage. Sie kam zu mir und veranlasste mich, dich zurückzurufen – und sie hatte nicht vor zuzulassen, dass ich dich eskortiere. Sie wollte nicht, dass du über so viel Schutz verfügst, aber nachdem ich meine Hilfe angeboten hatte, konnte sie mir nicht widersprechen. Ich bin hier, Mercy, weil ich wissen will, was los ist, und ob es meine Herrin aus der Lethargie reißen wird, in der sie sich befindet, seit sie hierher ins Exil
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