Mercy Thompson 01 - Ruf des Mondes-retail
die ihre Namen angeben und
einen bis zu einem gewissen Grad warnen, mit wem man es zu tun hat.
Samuel, dachte ich, wusste etwas über Zee.
Zee bemerkte meinen Blick und lachte noch einmal. »Vergiss es, Mädchen. Wir leben in der Gegenwart, und die Vergangenheit ist vergangen.«
Ich habe einen Uni-Abschluss in Geschichte, was einen der Gründe für meinen Beruf als Automechanikerin darstellt. Die meiste Zeit befriedigte ich meine Sehnsucht nach der Vergangenheit, indem ich historische Romane und Liebesgeschichten lese.
Ich hatte auch einmal versucht, mir von Zee alte Geschichten erzählen zu lassen, aber ebenso wie die Werwölfe war er nicht sonderlich gesprächig, wenn es um dieses Thema ging. Zu viele Schatten in der Vergangenheit. Nun würde ich mich mit einem Namen bewaffnet aufs Internet stürzen können, sobald ich nach Hause kam.
Zee sah Stefan an, und das Lachen verließ seine Augen. »Der Dolch wird wahrscheinlich nicht viel gegen Vampire ausrichten, aber ich würde mich besser fühlen, wenn ich weiß, dass sie etwas hat, um sich zu verteidigen.«
Stefan nickte bloß.
Der Dolch lag quer über meinem Schoß wie jede andere Klinge, aber dann erinnerte ich mich an die Berührung der Macht und steckte ihn vorsichtig ein.
»Sieh ihnen nicht in die Augen, Mercy«, sagte Zee abrupt. »Und das gilt auch für Sie, Dr. Cornick.«
»Spiel keine Dominanzspiele mit Vampiren«, sagte Samuel. »Ich erinnere mich.«
Die zweite Hälfte dieses alten Wolfssprichwortes lautet: »Bring sie einfach um.« Ich war froh, dass er das ausgelassen hatte.
»Haben Sie noch andere Warnungen, Vampir, der Marcys Freund ist?«, fragte Zee Stefan.
Er zuckte die Achseln. »Ich hätte dieser Sache nicht zugestimmt, wenn ich wirklich der Ansicht wäre, dass die Herrin ihr schaden wollte. Meistens langweilt sie sich einfach nur. Mercy ist sehr geschickt, wenn es um freundliche Antworten geht, die nicht wirklich etwas versprechen. Wenn dem Wolf das Gleiche gelingt, sollten wir alle vor Morgengrauen sicher wieder in unseren Betten liegen.«
10
I ch weiß nicht, wie ich mir das Quartier der Vampire vorgestellt hatte – wahrscheinlich war ich doch ein bisschen von den einschlägigen Filmen beeinflusst und hatte an ein viktorianisches Herrenhaus gedacht, in einem heruntergekommenen Teil der Stadt. Im Innenstadtbereich von Kennewick gibt es tatsächlich ein paar viktorianische Häuser, aber die meisten von ihnen sind schick renoviert und ein ziemlich teures Pflaster. Die alten Häuschen in den schäbigeren Nachbarschaften neigen eher dazu, selbst für eine kleine Siedhe nicht geräumig genug zu sein.
Es hätte mich nicht überraschen sollen, über eine mit Kopfstein gepflasterte Straße zu fahren, an der in jeder Einfahrt ein Mercedes, ein Porsche, ein BMW oder gleich mehrere dieser Luxusschlitten geparkt waren.
Die Straße schnitt sich tief in die Seite eines Hügels oberhalb der Stadt, und seit dreißig Jahren hatten Ärzte, Anwälte und Konzernchefs ihre Vierhundert-Quadratmeter-Häuser auf diese abschüssigen Grundstücke gebaut. Aber wie Stefan uns unterwegs erklärte, waren die Vampire als Erste hier gewesen.
Am Ende der Hauptstraße zweigte eine etwas schmalere Kiesstraße ab und führte zwischen zwei Backsteingebäuden
hindurch. Sie sah beinahe aus wie eine Einfahrt, zog sich dann aber weiter in einen spärlich bebauten Bereich dahinter.
Wir fuhren etwa eine Viertelmeile durch die übliche Buschwüste – die überwiegend mit Akazien, Lieschgras und indianischem Salbei bewachsen war – und dann über eine kleine Hügelkuppe, die gerade hoch genug war, um eine zweistöckiges Hazienda hinter einer acht Fuß hohen Mauer zu verbergen. Als die Straße sich den Hügel hinunterschlängelte, konnte ich durch ein zweiflügliges schmiedeeisernes Tor ein paar Details erkennen. Die weiten spanischen Bögen an den Seiten des Gebäudes leisteten wunderbare Arbeit dabei, den Mangel an Fenstern zu verbergen.
Auf Stefans Anweisung parkte ich direkt vor der Mauer. Der Vampir sprang aus dem Bus und war an meiner Tür, um sie zu öffnen, bevor Samuel das Auto auch nur verlassen konnte.
»Soll ich das hierlassen?«, fragte ich Stefan und hielt Zees Dolch hoch. Unterwegs war ich zu dem Schluss gekommen, dass er zu groß war, um ihn ohne den Schutzzauber des Feenvolks zu verbergen – über den ich ohnehin nicht verfügte – und es vielleicht ohnehin keine so gute Idee war, ihn mitzunehmen.
Stefan zuckte die Achseln, Hände und Finger leicht
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