Mercy Thompson 02 - Bann des Blutes-retail
öffnete nur den Kühlschrank und betrachtete den Inhalt.
»Wie also dann?«, fragte ich.
Sie blickte auf, sah Naomi an und zog eine Grimasse. »Er machte sich Sorgen, dass die da uns gefährden würde, weil sie ihn retten will. Sie müssen wissen, wenn er stirbt, stirbt sie auch … nicht sofort, aber bald.«
»Das ist es nicht, weshalb ich mir Sorgen machte«, log Naomi. Ich konnte an ihrer Stimme hören, dass sie die Unwahrheit sagte.
»Die Frau Professor hier hat Leukämie.« Die junge Frau holte einen Milchkarton aus dem Kühlschrank und trank direkt daraus. »Solange sie als Blutbank dient, halten Stefans Gegengaben ihren Krebs in Schach. Wenn er aufhört« – sie unterbrach sich und machte ein würgendes, keuchendes Geräusch, dann sah sie Naomi vage erfreut an. »Im Gegenzug arbeitet sie als Stefans Sekretärin – sie zahlt Rechnungen, macht die Steuererklärung, kauft ein. Hey, Naomi, wir haben keinen Käse mehr.« Sie stellte den Karton wieder in den Kühlschrank und schloss die Tür.
Naomi stand auf und baute sich vor der jüngeren Frau auf. »Wenn er tot ist, bedeutet das auch, dass nichts mehr für dich umsonst sein wird. Vielleicht solltest du wieder zu deiner Mutter und ihrem neuen Mann zurückkehren. Zumindest so lange, bis die Herrin dich findet und dich einem anderen Vampir gibt. Vielleicht möchte Andre dich haben.«
Die andere sah sie nur mit kühlem, spöttischem Blick an. Naomi wandte sich mir zu und sagte: »Sie weiß nicht mehr als ich.«
Sie warf noch einen letzten Blick zurück, dann verließ sie die Küche. Das Mädchen hatte den Streit eindeutig gewonnen. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, dass sie einen guten Wolf abgeben würde.
»Ich bin Mercedes Thompson«, sagte ich und drehte den Hocker, so, dass ich die Ellbogen auf den Tisch stützen und
möglichst unbedrohlich dasitzen konnte. »Ich bin auf der Suche nach Stefan.«
Sie sah sich um, als suchte sie ebenfalls nach ihm. »Hier ist er offenbar nicht.«
Ich nickte und schürzte die Lippen. »Ich weiß. Einer der Wölfe, die ihn letzte Nacht begleitet haben, ist uns in sehr schlechter Verfassung zurückgegeben worden.«
Sie hob das Kinn. »Sie sind kein Werwolf. Das weiß ich von Stefan.«
»Ich bin kein Werwolf«, stimmte ich zu.
»Alles, was Stefan aus dem Verkehr ziehen konnte, könnte mit Andre den Boden aufwischen.« Sie wies mit dem Kinn zur Haustür. »Wie kommen Sie darauf, dass Sie Stefan helfen können?«
»Marsilia glaubt, dass ich es kann.« Ich sah, wie der Name sie traf. Einen Augenblick entdeckte ich trotz des Haarschleiers, der ihr Gesicht verbarg, etwas von der Angst, die aus den Tiefen des Hauses aufstieg. Alle hier hatten große Furcht. Das Haus stank förmlich danach.
»Wenn Stefan nicht zurückkommt«, sagte sie sehr leise und wirkte plötzlich erheblich älter, »sind wir wohl alle tot, nicht nur Doktor Spitznase. Früher oder später sind wir alle erledigt. Die Herrin wird nicht wollen, dass wir frei herumlaufen und über sie reden können. Also wird sie uns an die anderen Vampire verteilen, die uns in ihre Menagerien stecken. Die meisten von ihnen sind mit ihrem Essen nicht so vorsichtig wie Stefan. Sie kennen keine Selbstbeherrschung, wenn sie Hunger haben.«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, also zog ich einen Faden aus ihren Worten und zupfte daran. »Stefan hält Sie länger am Leben, als es die andern können?«
»Er bringt die Leute in seiner Menagerie nicht um«, sagte
sie. Ich erinnerte mich daran, dass der Zoo von London einmal als Menagerie bekannt gewesen war. Sie zuckte mit bewusster Lässigkeit die Achseln. »Jedenfalls überwiegend. Wenn er uns holt, müssen wir ein paar Jahre bleiben – mit Ausnahme von Naomi, und das ist wirklich nicht Stefans Schuld –, aber dann können wir gehen, wohin wir wollen.«
»Warum ein paar Jahre?«, fragte ich.
Sie versetzte mir einen »Wie dumm kann man eigentlich sein?«-Blick. »So lange braucht es, bis sich eine Verbindung gebildet hat, die dafür sorgt, dass wir niemandem, dem wir begegnen, etwas von Vampiren erzählen.«
»Wie lange sind Sie schon bei Stefan?«
»Im August sind es fünf Jahre«, sagte sie, obwohl sie kaum älter als zwanzig sein konnte. Ich verbarg, wie schockiert ich war, aber offenbar nicht gut genug, denn sie grinste mich spöttisch an. »Zwölf. Ich war zwölf. Stefan stellte gegenüber meinen Eltern eine gewaltige Verbesserung dar, glauben Sie mir.«
Vampire sind böse. Komisch, dass ich diese Tatsache bei
Weitere Kostenlose Bücher