Mercy-Thompson 03 - Spur der Nacht-retail-ok
geflohen.« Das sagte er eher abwesend, während er den Blick weiter über die Werkstatt schweifen ließ.
»Warum nicht?«, fragte Darryl überraschend sanft.
Ben holte tief Luft, als hätte die Frage ihn erschrocken. »Weil man nur davonrennt, wenn man noch Hoffnung hat. Du hast gesehen, was er getan hat, hast gehört, was er ihr gesagt hat. Sie ist hier.«
Sie hatten zugesehen, dachte ich, und erinnerte mich, dass der Techniker gesagt hatte, Adam könne ebenfalls aufzeichnen, was die Kameras aufnahmen. Sie hatten es gesehen. Ich schämte mich so sehr, dass ich auf der Stelle sterben wollte. Dann erinnerte ich mich daran, dass ich mich sowieso umbringen würde und tröstete mich mit dem Gedanken an den Fluss, so kühl und einladend.
»Mercy?« Adam drehte sich langsam im Kreis. Ich steckte die Nase in den Schwanz und rührte mich nicht, schloss die Augen und verließ mich darauf, dass meine Ohren mir mitteilen würden, wenn sie zu nahe kamen. »Es ist alles in Ordnung. Du kannst herauskommen.«
Er irrte sich. Nichts war in Ordnung. Er liebte mich nicht, niemand liebte mich, und ich würde ganz alleine sein.
»Du könntest sie rufen«, schlug Darryl vor.
Man hörte ein Klatschen und ein würgendes Geräusch. Ich konnte nicht widerstehen und schaute hin.
Adam hielt Darryl gegen die Wand gedrückt, den Unterarm an seiner Kehle.
»Du hast es doch gesehen«, flüsterte er. »Du hast gesehen, was er ihr angetan hat. Und jetzt schlägst du vor, ich sollte das Gleiche tun? Sie mit Magie zu mir bringen, der sie nicht widerstehen kann?«
Ich wusste, dass das Getränk aus dem Kelch mich immer noch verwirrte: Mein Magen brannte, und ich zitterte wie eine Süchtige auf Entzug. Aber etwas wunderte mich. Ich hätte immer noch imstande sein sollen, Adams Reaktionen zu verstehen, oder? Er würde so besorgt sein … und wütend wegen mir. Aber wenn er gesehen hatte …
Er würde wissen, dass ich untreu gewesen war.
Adam hatte mich vor dem Rudel zu seiner Gefährtin erklärt. Und obwohl ich gerade erst angefangen hatte zu lernen, dass das auch weiterreichende paranormale Folgen hatte, waren mir die politischen Gründe dahinter sofort klar gewesen.
Und ein Werwolf, dessen Gefährte untreu ist, wird als schwach betrachtet. Wenn es sich um den Alpha handelt … ich wusste, es hatte einmal einen Alpha gegeben, dessen Gefährtin mit anderen schlief, aber das tat sie mit seiner Erlaubnis. Indem ich Adam nicht akzeptierte, hatte ich seine Position bereits geschwächt. Wenn sein Rudel wusste, dass Tim … dass ich zugelassen hatte, dass Tim …
Adam senkte den Arm und ließ Darryl frei. »Hast du das gehört?«
Ich hatte aufgehört zu winseln, sobald mir klar geworden war, dass ich ein Geräusch von mir gab. Aber es war zu spät.
»Es kam von da drüben«, sagte Honey. Auf ihrem Weg zu meiner Seite der Werkstatt musste sie über ein paar Stücke von Tim steigen, und Darryl und Ben folgten ihr.
Adam blieb, wo er war, mit dem Rücken zu mir, die Hände auf Schulterhöhe gegen die Wand gestützt.
Also war er es, den Nemane angriff, als sie durch die Bürotür stürzte.
Sie sah der Frau, die mit Tony in mein Büro gekommen war, nicht mehr sonderlich ähnlich. Ihr dunkles Haar schimmerte von silbernen und roten Glanzlichtern und stand nach allen Seiten ab, als würde es durch die Macht ihrer Magie von ihrem Körper ferngehalten. Sie versetzte Adam eine Welle von Magie, die ihn halb durch die Werkstatt schleuderte, so dass er in einer dunklen Blutlache flach auf dem Rücken landete. Er kam sofort wieder auf die Beine und stürzte sich auf sie.
Krieg, dachte ich. Wenn er sie umbrachte oder sie ihn, würde es Krieg geben.
Ich war vom Regal gesprungen und eilte so schnell, wie meine drei Beine es zuließen, auf die beiden zu, bevor ich auch nur zu Ende gedacht hatte.
In Adams Bewegungen lag keine Unsicherheit, aber sie musste ihn verletzt haben, denn ich erreichte sie vor ihm.
Ich veränderte mich, damit ich reden konnte, aber ich hatte keine Chance, denn Adam rammte mir wie ein Footballspieler die Schulter in den Magen. Ich glaube nicht, dass er mich hatte treffen wollen, denn er rollte sofort unter mich und riss mich mit sich um. Ich erreichte nie den Boden.
Ich breitete mich in einer ungeschickten Position auf ihm aus, eins meiner Knie in seiner Achselgrube, mein guter Arm unter seiner anderen Schulter. Dann war er wieder auf den Beinen und drückte mich an sich, und die drei anderen
Werwölfe standen zwischen uns und der
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