Mercy-Thompson 03 - Spur der Nacht-retail-ok
mich abgeholt hatte, bis zu Tim, der mir seine Adresse gab. Wenn ich etwas ausließ, dann nur, weil ich es nicht für wichtig hielt. Mit einer Ausnahme: Ich sagte ihm nicht, dass Austin Summers wahrscheinlich der Bruder eines der Jungen war, die Jesse überfallen hatten. Samuel mochte weniger aufbrausend sein als Adam – aber er würde beide Jungen ohne die geringste Spur von Bedauern umbringen. In seiner Welt schlug man keine Mädchen. Ich würde mir eine angemessene Strafe ausdenken, aber ich glaubte nicht, dass jemand wegen dieser Sache sterben sollte. Nicht, solange sie Jesse in Zukunft in Ruhe ließen.
Das war das Einzige, was ich ausließ. Zee und Onkel Mike hatten mich bei dieser Ermittlung mir selbst überlassen. Na gut, sie hatten mich angewiesen, überhaupt keine Ermittlungen anzustellen, was auf dasselbe hinauslief. Ohne Hilfe vom Feenvolk weiterzumachen, ließ meine Untersuchungen riskanter werden, als sie ansonsten gewesen wären, und Zee war ohnehin wütend auf mich, weil ich verraten hatte, was ich wusste. Er konnte kaum noch wütender werden. Die Zeiten, in denen ich die Geheimnisse des Feenvolks streng gehütet hatte, waren vorbei.
Wenn es eines gab, was ich während der letzten interessanten Monate (im Sinn des alten chinesischen Fluchs
»Mögest du in interessanten Zeiten leben«) gelernt hatte, dann dass es wichtig war, Leute zu haben, die ebenso viel wussten wie man selbst, wenn es anfing gefährlich zu werden. Auf diese Weise würde jemand wenigstens eine Spur haben, um nach meinem Mörder zu suchen, sollte ich so dumm sein, mich umbringen zu lassen.
Ich wurde mit meinem Bericht erst fertig, als wir schon in meinem Wohnzimmer saßen und heiße Schokolade tranken.
Als Erstes sagte Samuel: »Du hast es wirklich drauf, dir Ärger einzuhandeln, wie? Das hatte ich ganz vergessen, nachdem du das Rudel verlassen hast.«
»Wieso ist irgendwas davon meine Schuld?«, fragte ich aufgebracht.
Er seufzte. »Ich weiß es nicht. Ist es irgendwie relevant, wessen Schuld es ist, wenn du mitten im Dreck steckst?« Er warf mir einen resignierten Blick zu. »Und wie mein Vater immer sagte, du findest deinen Weg in den Dreck viel zu oft, als dass es Zufall sein könnte.«
Ich schob den Drang beiseite, mich zu verteidigen. Über ein Jahrzehnt war es mir gelungen, mich zurückzuhalten, als Mensch am Rand der Werwolf-Gesellschaft zu leben (und das nur, weil Adam wegen der Bitte des Marrok beschlossen hatte, sich in mein Leben einzumischen, noch bevor er ein Haus hinter meinem baute). Es war Adams Ärger, mit dem alles angefangen hatte. Dann war ich den Vampiren etwas schuldig gewesen, weil sie mir mit Adams Problemen geholfen hatten. Und das abzuarbeiten hatte mir Schulden beim Feenvolk eingebracht.
Aber ich war müde, ich musste morgen früh aufstehen und arbeiten – und wenn ich jetzt mit Erklärungen anfinge,
würde es Stunden dauern, bevor wir wieder zu einem nützlichen Gespräch zurückfanden.
»Also werde ich dich um Rat fragen, da ich wieder mal im Dreck stecke«, erklärte ich. »Vielleicht kannst du mir sagen, wieso weder Onkel Mike noch Zee über das Meereswesen reden wollten, oder wieso es einen Wald und einen Ozean – einen ganzen Ozean – im Hinterhof und in einem Badezimmer geben kann. Und ob irgendetwas davon mit O’Donnells Tod zu tun haben könnte.«
Er sah mich an.
»Komm schon«, sagte ich. »Ich habe dein Gesicht gesehen, als ich dir von den komischen Sachen erzählt habe, die im Reservat passiert sind. Du bist Waliser, um Himmels willen! Du kennst dich mit dem Feenvolk aus.«
»Du bist Indianerin«, sagte er in einem Falsett, das mich offenbar imitieren sollte. »Du weißt, wie man Tierspuren folgt und mit nichts als Stöckchen und Zweigen Feuer anzündet.«
Ich sah ihn herablassend an. »Das weiß ich tatsächlich. Charles – noch ein Indianer – hat es mir beigebracht.«
Er winkte ab. Ich erkannte die Geste als eine von meinen. Dann lachte er. »Also gut. Also gut. Aber ich bin kein Experte fürs Feenvolk, nur weil ich Waliser bin.«
»Dann erklär mir diese ›Aha‹-Miene, die du hattest, als ich dir von dem Wald erzählte.«
»Wenn du unter dem Feenhügel warst, hast du damit eine von Brans Theorien darüber bestätigt, was das Feenvolk in seinen Reservaten macht.«
»Wie meinst du das?«
»Als das Feenvolk vorschlug, die Regierung solle Reservate für seine Angehörigen einrichten, spekulierte mein
Vater, sie versuchten, Territorien wie die aufzubauen, die sie einmal
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