Mercy Thompson 04 - Zeit der Jäger-retail-ok
seiner eigenen Art gejagt worden war.
Er drehte sich um, schob mich hinter sich und knurrte sie an – etwas, was er normalerweise nicht getan hätte. Alle Vampire im Raum kamen auf die Füße, und ihre Erwartung von Blutvergießen war deutlich spürbar.
Marsilia lachte, ein wunderschönes, volles Lachen, das eine Sekunde abbrach, bevor ich es erwartete, was es irgendwie
noch beunruhigender machte als ihr plötzliches Erscheinen. Ihr plötzliches, geschäftsmäßiges Erscheinen. Wann immer ich sie sonst gesehen hatte, hatte sie Kleidung getragen, die dafür entworfen worden war, die Aufmerksamkeit auf ihre Schönheit zu lenken. Dieses Mal trug sie ein Businesskostüm. Ihr einziges Zugeständnis an ihre Weiblichkeit waren der schmale Rock statt einer Hose und das weinartige Dunkelrot der Wolle.
»Sitz«, sagte sie, als spräche sie mit einem Pudel, und der Raum voller Vampire setzte sich. Sie wandte ihren Blick nicht für einen Moment von mir.
»Wie freundlich von Ihnen, in Erscheinung zu treten«, sagte sie, und ihre abgrundtief schwarzen Augen waren kalt und voller Macht.
Nur Warrens Wärme erlaubte es mir, mit etwas zu antworten, was Ruhe ähnelte. »Wie freundlich von Ihnen, dass Sie Ihre Einladungen früh genug aussprechen, dass ich pünktlich erscheinen konnte.« Vielleicht war das unklug – aber, hey, sie hasste mich bereits. Ich konnte es riechen.
Sie starrte mich einen Moment an. »Es macht einen Witz«, sagte sie.
»Es ist unhöflich«, erwiderte ich und trat einen Schritt zur Seite. Falls ich sie so wütend machte, dass sie mich angriff, wollte ich nicht, dass Warren den Schlag abbekam.
Erst als ich um ihn herumging, fiel mir auf, dass ich ihren Blick erwiderte. Dämlich. Selbst Samuel war nicht immun gegen die Macht ihres Blickes. Aber ich konnte nicht nach unten schauen, nicht mit Adams Macht, die in mir aufstieg und mich fast erstickte. Ich war hier nicht nur ein Kojote, ich war die Gefährtin des Alphas vom Columbia-Basin-Rudel – weil er es so sagte, und ich es so sagte.
Wenn ich nach unten sah, dann erkannte ich ihre Überlegenheit an, und das würde ich nicht tun. Also begegnete ich ihrem Blick und sie erlaubte mir, das zu tun.
Sie senkte ihre Lider, nicht tief genug, um unseren informellen Starrkampf zu verlieren, sondern nur, um den Ausdruck in ihren Augen zu verhüllen. »Ich glaube«, sagte sie mit so leiser Stimme, dass nur Warren und ich sie hören konnten, »wenn wir uns zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort getroffen hätten, hätte ich dich gemocht.« Sie lächelte und zeigte dabei ihre Reißzähne. »Oder ich hätte dich umgebracht.«
»Genug der Spielchen«, sagte sie, jetzt lauter. »Ruf ihn für mich.«
Ich erstarrte. Deswegen hatte sie mich gewollt. Sie wollte Stefan zurück. Für einen Moment konnte ich nur das geschwärzte tote Ding sehen, dass sie in mein Wohnzimmer geworfen hatte. Ich erinnerte mich daran, wie lange ich gebraucht hatte, zu verstehen, wer es war.
Sie hatte ihm das angetan – und jetzt wollte sie ihn zurück. Nicht wenn ich etwas dagegen tun konnte.
Adam hatte sich nicht von dem Platz bewegt, an dem er stand, und dem Raum so erklärt, dass er mir zutraute, auf mich selbst aufpassen zu können. Ich war mir nicht sicher, ob er das wirklich dachte – ich wusste sogar, dass dem nicht so war –, aber es war wichtig für ihn, dass ich auf eigenen Füßen stand. »Wen soll sie rufen?«, fragte er.
Marsilia lächelte ihn an, ohne die Augen von mir zu wenden. »Wussten Sie das nicht? Ihre Gefährtin gehört Stefan.«
Er lachte, ein seltsam glückliches Geräusch in diesem von Grabesstimmung erfüllten Raum. Das war eine gute
Ausrede, Marsilia den Rücken zuzuwenden und damit unser Starr-Spiel zu beenden. Ihr den Rücken zuzuwenden hieß auch, dass ich nicht verlor – nur dass der Wettbewerb vorbei war.
Ich bemühte mich, die kranke Angst, die ich empfand, nicht auf meinem Gesicht erscheinen zu lassen. Ich versuchte, das zu sein, was Adam – und Stefan – brauchten.
»Wie ein Kojote ist Mercy anpassungsfähig«, erklärte Adam Marsilia. »Sie gehört demjenigen, für den sie sich entscheidet. Sie gehört überallhin, wo sie sein will, für so lange, wie sie es möchte.« Bei ihm klang das, als wäre es etwas Positives. Dann sagte er: »Ich dachte, hier ginge es darum, einen Krieg zu verhindern.«
»Korrekt«, sagte Marsilia. »Ruf Stefan.«
Ich hob das Kinn und warf ihr einen kurzen Blick über die Schulter zu. »Stefan ist mein Freund«,
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