Meridian - Flüsternde Seelen
»Erfrischend.« Wie ein warmes Schaumbad oder eine tröstende Mahlzeit für die Seele.
Er lächelte. »Ich dachte immer, es hätte etwas damit zu tun, dass man sich über längere Zeit hinweg auf heiligem Boden aufhält.«
Ich bemerkte, dass sich aus der Ferne einige Geister näherten. O nein. »Rumi, ich glaube, ich muss mich setzen. Das wird gleich wieder, keine Angst.«
»Wir sind fast da.« Er wies auf eine Ansammlung von Steinen vor uns.
»Nein, ich meine jetzt sofort.« Ich hielt mich mit einer Hand an einem Grabstein fest, rutschte daran herunter, lehnte mich an und schloss die Augen, um das Fenster sehen zu können. Eine Brise blähte die Vorhänge. Es war mein Fenster, wie Tante Merry es mir beigebracht hatte. Ich lächelte.
Geister, die nicht hatten übergehen können, weil sie daran gehindert worden waren oder sich im Augenblick des Sterbens dagegen entschieden hatten, wurden einer nach dem anderen mit ihren Familien vereint. Viele frisch gepflügte Felder voller Menschen, die sie jubelnd begrüßten, und eine johlende Menge in einem alten Unterstand auf einem Basketballplatz hießen die willkommen, die durch mich hindurchgingen. Ich sah sogar eine Rennbahn mit vorbeirasenden Autos. Allerdings nicht meine Tante.
Ich schlug die Augen auf. Rumi hielt meine Hand und betrachtete mich. »Alles in Ordnung.« Und das stimmte auch. Vielleicht war der Groschen ja endlich gefallen.
»Hast du …?«, stammelte er, bleich, aber sehr interessiert. »War das …?«
»Geister ist das Wort, das sie am besten beschreibt. Diejenigen, die bereit waren zu gehen, sind jetzt gegangen. Wenn sie wollen, können sie mich aufsuchen. Wahrscheinlich haben sie auf das Fest am Memorial Day gewartet.« Ich versuchte zu lächeln und strich mir das Haar aus den Augen. Es war lockig, überhaupt nicht schlaff.
Rumi setzte sich mit einem Plumps. »Meridian, du hast geleuchtet wie die Steine.«
»Was?«, fragte ich.
»Ganz sanft, nicht wie ein Leuchtturm. Aber selbst diese alten Augen hier haben den Unterschied bemerkt.«
»Ich glaube, das ist bis jetzt noch nie passiert.« Ich war weder erschöpft, noch litt ich an Übelkeit. Stattdessen fühlte ich mich erfrischt, wie neugeboren, vollständig. »Entschuldige«, sagte ich, während Rumi mir auf die Füße half. »Ich brauche noch mehr Erfahrung, bis ich das Fenster öffnen und gleichzeitig in der wirklichen Welt funktionieren kann.«
»Ist es ein bisschen so, als würde man sich beim Gehen den Kopf tätscheln und dazu den Bauch reiben?«
»So ähnlich.« Ich schmunzelte.
»Schau dir den Grabstein hinter dir an. Ich sehe …«
Ich drehte mich um. »Die Bilder deiner Nain?« Der Grabstein, an dem ich lehnte, war das genau Abbild der Zeichnungen und Gemälde seiner Familie. Er war oben abgerundet. Eine halbe Sonne, die ihre Strahlen ausbreitete wie Blütenblätter, thronte oben auf einem Fenster. Neugierig, ob der Verstorbene ein Angehöriger von ihm gewesen war, las ich Namen und Datum. »Seid ihr verwandt?«
»Komm«, gab er statt einer Antwort zurück und fing an zu rennen.
»Was ist?« Warum konnte ein alter Mann schneller laufen als ich?
Er blieb stehen und zeigte mit dem Finger. »Ich habe bis jetzt angenommen, dass es eben die damalige Mode war. Doch es steckt mehr dahinter, richtig?«
Mein Blick folgte seinem ausgestreckten Finger. Noch zwei Grabsteine in Fensterform. »Deine Großeltern?«
»Ja.«
»Sie passen perfekt zusammen.«
»Genau.«
»Und der da drüben, ist das jetzt ein Verwandter von dir?«
»Nein. Meine Familie ist auf dieser Parzelle begraben. Die freie Stelle da drüben ist übrigens für mich reserviert.«
Ich zuckte zusammen. An Rumis Tod wollte ich nicht einmal denken und wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. »Wer hat sie aufgestellt?«
»Meine Eltern? Ich weiß nicht. Sie waren schon immer da.«
Die Grabsteine waren oben bogenförmig wie Fenster und erinnerten an eine Orangenscheibe auf einem Rechteck. Der Steinmetz hatte die Balken des Kreuzes wie Fensterstege gestaltet. In jedem halbkreisförmigen Bogen befand sich eine Sonne mit Strahlen, die den Blütenblättern eines Gänseblümchens ähnelten.
Ich kniete mich vor die kleinen Steine, die in knapp zwei Metern Entfernung gegenüber den Grabsteinen aus dem Boden ragten. »Was ist das?«
»Fußsteine«, erwiderte Rumi.
Die Steine waren mit einer Inschrift versehen. Sie war verwittert und abgewetzt, in den Vertiefungen hatten sich Flechten und Moos eingenistet. »Was steht
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