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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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hineinwatete. Ich setzte mich, ließ mich von der Strömung wiegen und lauschte dem geplätscherten Wiegenlied. Mit Kies und Sand rubbelte ich mir den Ruß von der Haut. Dann zog ich die Kleider aus, ohne mich darum zu kümmern, ob mich jemand sah oder wie ich bei meiner Rückkehr zum Haus meine Nacktheit erklären sollte.
    Ich trieb im Bach, bis sich das Wasser warm und die Luft mild anfühlten. Immer wieder fielen mir die Augen zu. Es war ja so unbeschreiblich verführerisch, einfach loszulassen und davonzuschwimmen, in den Schlaf, ins Vergessen, ins Nichts.
    »Juliet.« Gleich darauf folgte eine kräftige Ohrfeige. »Juliet!«
    Ich schlug die Augen auf. Nicole schleppte mich aus dem Wasser ans Ufer, wo Bodie und Selma sich aneinanderdrängten. Todesangst stand ihnen in den Gesichtern.
    Als ich aufstehen wollte, gehorchten meine Beine nicht. »Moment, ich kann selbst gehen.«
    »Ein toller Schutzengel bin ich«, murmelte Nicole.
    Ich war zu sehr damit beschäftigt, meine betäubten Gliedmaßen wiederzubeleben, um mir Gedanken über ihre Worte oder ihren Zorn zu machen.
    Bodie hielt mir eine Decke hin, während Nicole wieder in den Bach hineinwatete, um mein an Baumwurzeln und Treibholz hängengebliebenes Kostüm zu bergen. Zitternd sah ich zu, wie sie die Stoffreste und meine Schuhe unter einem umgestürzten Baumstamm versteckte. Meine Haut brannte und prickelte, als Blut und Körperwärme sich wieder verteilten.
    Ich machte den Mund auf. Und wieder zu. Meine Kehle war wund und fühlte sich wegen des Qualms geschwollen an.
    »Wir müssen sie ins Haus bringen.« Nicole sprach mit Bodie, als wäre ich hier die Jüngste. Sie redeten über meinen Kopf hinweg, aber ich hatte nicht einmal die Kraft, empört zu sein.
    In der Ferne kreisten Helikopter. Es war, als brächten die Geräusche von Schmerz und Leid die Nacht zum Vibrieren. Sirenen gellten aus allen Richtungen. Ihr Heulen brach sich um uns herum. Mini begleitete uns, als wir uns, mühsam und Schritt für Schritt, über den Rasen quälten. In der Küche rubbelte Nicole mich so kräftig mit der Decke ab, dass es weh tat. Bodie holte ein Handtuch aus dem Wäschezimmer und bearbeitete mit zitternden Händen mein Haar.
    Da hörten wir, dass ein Auto vorfuhr. Nicht irgendein Auto, sondern das der Heimleiterin.
    »Mist«, murmelte Bodie.
    Nicole half mir zur Treppe, nicht, damit ich hinaufging, sondern damit ich mich rasch darunter verstecken und mich anziehen konnte.
    »Mach schnell.« Bodie schloss die Tür der Abstellkammer hinter mir. Ich malte mir aus, wie er sich eilig hinter die nächste Ecke flüchtete.
    Die Eingangstür öffnete sich.
    »Was stehst du hier herum?«, brüllte die Heimleiterin.
    »Ich hole warme Milch für die Dame oben. Sie kann nicht schlafen.«
    »Verschwendung. Ist die andere eigentlich schon tot? Ich möchte endlich wegfahren.« Offenbar war die Heimleiterin heute besonders schlechter Laune.
    »Nein, Ma’am.«
    »Hast du heute Abend diese Schlange von einer Sozialarbeiterin gesehen? War sie hier?«
    Ich hielt im Anziehen inne und spitzte die Ohren.
    »Ma’am?« Nicoles Stimme zitterte leicht.
    »Du weißt genau, von wem ich rede. War dieses verlogene Miststück hier?«
    »Ms. Asura?«
    »Ja, die meine ich!« Die Heimleiterin klang, als sei sie kurz davor, auch noch den letzten Rest Geduld zu verlieren.
    »Nein, Ma’am«, erwiderte Nicole laut und deutlich.
    Lange Zeit herrschte Schweigen. Keine der beiden schien sich zu bewegen. Kein Geräusch auf der Treppe oder Schritte, die auf die Wohnung der Heimleiterin zusteuerten. Wie schon so oft stand ich wie erstarrt da und wartete auf eine willkürliche Bestrafung oder zumindest deren Ankündigung.
    »Kann die alte Hexe nicht schlafen?« Die Stimme der Heimleiterin entfernte sich.
    Eine Pause entstand, als Nicole ihr offenbar folgte. »Nein, Ma’am.«
    »Denen werde ich beim Schlafen helfen.« Der Fußboden erbebte, und die Stufen ächzten protestierend, als Schritte über meinen Kopf hinwegtrampelten.
    Bodie öffnete die kleine Tür. »Die Luft ist rein.«
    »Du gehörst ins Bett, Kumpel.«
    »Erzählst du uns eine Geschichte? Über das Festival?«
    »Heute nicht. Ich muss schauen, was da los ist.« Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, und die eiskalte Hand der Furcht krallte sich um meine Eingeweide.
    Im Grünen Zimmer stand die Heimleiterin vor Enids Bett und hielt der alten Frau Tabletten hin. »Sie müssen Ihre Medikamente nehmen.«
    »Doch nicht um diese Uhrzeit.« Erschöpft sank

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