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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Unterwäsche betrachtet hätte. Fasziniert von unseren körperlichen Unterschieden, hätte ich am liebsten mehr Licht gemacht, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Allerdings hätte ich dazu die Badewanne verlassen müssen, und das war unmöglich.
    Er erwiderte meinen Blick. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Er musterte meinen Körper. Ich schaute an mir herunter und versuchte, mich mit seinen Augen wahrzunehmen. Meine billige weiße Jungsunterhose war inzwischen völlig durchsichtig und lenkte die Aufmerksamkeit auf meine Hüften und Schenkel.
    Ich fühlte mich schutzlos. Offen. Am Rücken stand nicht mehr jeder einzelne Wirbel hervor. Meine Rippen konnte man zwar ertasten, aber sie zeichneten sich nicht mehr ab. Meine Schlüsselbeine saßen nicht mehr wie Schulterpolster auf meinem Körper. Und meine Beine gingen in Hüften über, die endlich aussahen wie bei einem Mädchen, nicht mehr wie bei einem Jungen.
    Ich fühlte mich kräftiger und gesünder als je zuvor. Aber was, wenn ich seinen Ansprüchen nicht genügte?
    Ich senkte den Blick in Richtung Abfluss. Tens trat vor den Wasserstrahl und blockierte ihn mit seinen Schultern. Dann hob er meinen Kopf an, indem er mir einen Finger unters Kinn schob. Seine Lider waren schwer, und seine Augen lagen im Schatten. Sein Gesicht war gerötet. Die Wangenknochen wirkten noch markanter als sonst.
    »Ich liebe dich. Wie du warst. Wie du bist. Wie du sein wirst«, sagte er.
    Ich blinzelte. »Ich liebe dich auch. Bei dir will ich besser sein, als ich bin. So wie du.«
    »Du traust dir selbst zu wenig zu. Oder du überschätzt mich.« Sein Blick war ernst, doch es zuckte um seine Lippen. Im nächsten Moment erschauderte er. »O je, wir haben das ganze heiße Wasser aufgebraucht.«
    »O mein Gott.« Ich bemerkte, wie meine Zehen sich in Eiszapfen verwandelten. »Warum hast du denn nichts gesagt?«
    »Es war gerade so ein schöner Moment.«
    Lachend kippte ich gegen ihn, während er das Wasser abstellte, damit ich keine kalte Dusche abbekam. »Ein Moment?«, prustete ich.
    Kurz wirkte er gekränkt, stimmte aber dann in mein Gelächter ein.
    Wir schnappten uns frische Handtücher, wickelten uns gegenseitig darin ein und blieben im dampfigen Badezimmer, bis auch die letzte Wärme verflogen war und wir etwas zum Anziehen brauchten.
    Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und streckte mich, um ihn zu küssen. »Ich liebe dich.«
    Er nahm mich fest in die Arme und hob mich hoch. »Für immer.«

[home]
    Kapitel 34
    Juliet
    G relles Licht und Flammen erfüllten die Luft und wirbelten die Erde aus ihrer Umlaufbahn. Ich hatte ein taubes Gefühl und ein Klingeln in den Ohren. Über Trümmer und meine eigenen Füße stolpernd, floh ich in einem Pulk davonlaufender Menschen vor den panischen Angstschreien. Beim Rennen wurde ich immer wieder von verstörten Festivalbesuchern angerempelt und hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Immer wieder stieg Schwindel in mir hoch, und ein scharfer Schmerz durchzuckte mich.
    Das Chaos hatte die Welt in eine Schieflage gebracht und machte es unmöglich, festen Boden unter den Füßen zu finden. Um nicht zu stürzen, hielt ich mich immer wieder an Bäumen, Autos oder anderen unbeweglichen Objekten fest. Doch je weiter ich mich vom Unglücksort entfernte, desto klarer wurde ich im Kopf, und mein Herz beruhigte sich allmählich.
    »Möchtest du mitfahren?« Eine Gruppe Jugendlicher mit schreckgeweiteten Augen, bleichen Gesichtern und zerrissenen Kostümen saß auf der Ladefläche eines Pick-ups, der neben mir langsamer wurde. »Wo musst du denn hin?«
    Ich nannte eine Adresse in der Nähe des DG , weil mir so schnell keine Ausrede einfiel, um ihr Hilfsangebot abzulehnen.
    »Komm rauf.« Ein Mädchen, das Springerstiefel und ein Gewand trug, das vermutlich einmal ein Nachthemd aus Flanell gewesen war, half mir auf die Ladefläche.
    Niemand sprach. Wir standen alle unter Schock, weshalb es nichts zu sagen gab. In der frischen Nachtluft legte sich meine Benommenheit, doch ich wurde den Geruch von Rauch, verkohltem Plastik, beißenden Chemikalien und verbrannten Körpern nicht los. »Danke«, sagte ich. Dasselbe Mädchen half mir beim Aussteigen und kauerte sich dann wieder neben seine Freunde, als sie weiterfuhren.
    Ich hustete, bis ich schon glaubte, dass ich gleich meine Lunge hervorwürgen würde. Außerdem fühlte ich mich schmutzig. Also nahm ich die Abkürzung durch das Wäldchen zum Wildcat Creek, wo ich mitten ins fließende Wasser

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