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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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gejagt. Einmal ist sie mir vor die Füße geraten, dass ich gestolpert bin.«
    Als Custos ihren Namen hörte, streckte sie sich und ging zu ihrem Napf, der Chili und Maisbrot enthielt. Hundefutter rührte sie nicht an, und auch für Lebensmittel, die Menschen aßen, hatte sie nicht viel übrig. Doch ich gab ihr trotzdem etwas, weil ich nicht wusste, ob sie Nahrung von dieser Art brauchte.
    »Und dann hat sie mich noch mal zum Stolpern gebracht.« Tens schüttelte den Kopf.
    »Hast du dir weh getan?« Automatisch streckte ich die Hand nach ihm aus und beugte mich vor. »Hat sie es absichtlich gemacht?«
    Er griff nach meinen Händen und schob mich sanft zurück, allerdings ohne mich loszulassen. »Alles in Ordnung. Ich bin auf die Seite ins Gras gefallen. Custos hat mich noch mal umgeschubst. Fest. Als ich aufstehen wollte, hat sie mir die Pfoten in den Bauch gerammt. Mit genug Kraft, um mich am Boden zu halten, aber ohne mich zu verletzen.« Er hielt inne und strich mir nachdenklich mit den Daumen über die Handrücken.
    Wem Custos’ Treue galt, stand fest. Mich mochte sie, sogar sehr, aber an Tens klebte sie wie Maissirup.
    »Komisch.« Noch nie hatte ich erlebt, dass sie Tens weniger als äußersten Respekt entgegengebracht hatte. Natürlich wusste ich auch, dass sie angsteinflößend und gefährlich sein konnte – schließlich hatten wir uns nicht unter den besten Umständen kennengelernt.
    »Dann sträubte sie das Fell und hat etwas hinter mir angebellt.«
    Aternocti? Perimo?
Es ärgerte mich, dass meine ersten Gedanken dem abgrundtief Bösen galten.
    Custos kam zu mir und leckte mir die Hand, wobei sie darauf achtete, auch jeden Krümel Maisbrot und jedes Honigtröpfchen auf meinen Fingern zu erwischen.
    »Weiter«, forderte ich Tens auf. »Was war es?«
    Er holte uns einen Nachschlag und aß beim Erzählen weiter. »Im Dämmerlicht habe ich einen schmiedeeisernen Zaun und dahinter die Umrisse eines Anwesens gesehen.«
    »Warum hat sie gebellt? War da jemand?«
    »Ich habe nichts bemerkt. Keine Menschenseele. Jedenfalls nicht sofort. Und dann«, er beugte sich vor, als käme jetzt die Pointe, »hat sie mit dem Schwanz gewedelt, und etwas, das wie ein großer Waschbär aussah, ist einen Baum hinaufgeflitzt.«
    »Ein Waschbär?«, prustete ich, umfasste Custos’ Gesicht und küsste sie auf die Nase. »Custos fürchtet sich vor einem winzig kleinen Waschbären?«
    Tens fiel mir ins Wort. »Schlimmer. Ich dachte, es sei ein Waschbär, aber das Tier hat sich als Langhaarkatze entpuppt. Eine riesige Katze.« Er lächelte.
    Ich schnalzte mit der Zunge. »Sie hat eine Katze gejagt wie ein ganz normaler Hund?« Es wäre das einzig Alltägliche an ihr gewesen.
    Tens kraulte Custos am Hintern, während ich ihr die Ohren streichelte. Sie winselte begeistert. Es war schön, zu etwas nutze zu sein. »Das Seltsame ist, dass sie sich dann wieder beruhigt hat.«
    »Natürlich hat sie das.«
    Tens aß auf und brachte das Geschirr zum Spülbecken. »Ich würde dich gern dorthin mitnehmen und sehen, was du davon hältst. Die Villa gefällt mir irgendwie nicht.« Als er sich zu mir umdrehte, hatte er wieder eine Falte zwischen den Augen.
    »Du machst dir Sorgen.«
    »Ein bisschen. Aber es steckt noch mehr dahinter.« Seine Stimme klang, als wisse er, dass mir das, was nun kommen würde, ganz sicher nicht gefiel.
    »Mehr?« Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. »Raus mit der Sprache.« Ich baute mich vor ihm auf. »Sag es einfach.«
    »Während du heute Abend geschlafen hast, habe ich mit Joi geredet.«
    »Okay?« Das war schließlich kein Weltuntergang.
    Seine Miene nahm erst einen entschuldigenden Ausdruck an, dann einen trotzigen. »Ich weiß, du kannst es nicht leiden, wenn ich etwas erspüre. Aber ich bin machtlos dagegen. Ich kann es nicht abschalten. Leider. Aber es ist sogar ihr aufgefallen.«
    Ich stimmte dem, was er mir mitteilen wollte, voll und ganz zu, was mich schrecklich ärgerte. Ich verabscheute meine körperliche Schwäche. Seit meinem Geburtstag war ich zwar schon viel stärker geworden, aber es war noch längst nicht genug.
    Tens’ Tonfall wurde weicher. »Du bist noch nicht so weit, einen ganzen Tag lang arbeiten zu können. Mir ist klar, dass du zwischen deinem Wunsch, andere Fenestrae zu finden, und dem Bedürfnis, ein einigermaßen normales Leben zu führen, hin- und hergerissen bist. Doch ich glaube nicht …«
    »Ich habe große Fortschritte gemacht.« Ich hielt es für angebracht, ihn darauf

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