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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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gerechnet.
    »Mach nicht so ein trauriges Gesicht.« Ms. Asura legte wieder die Arme um mich. »Er ist glücklich, und wir müssen uns für ihn freuen. Ich bin sicher, dass du ihn früher wiedersiehst, als du glaubst.«
    Ich nickte und befreite mich, um wieder Luft zu bekommen. Wann waren ihre anfangs tröstenden Umarmungen erstickend geworden? Sie hatten sich verändert. Oder lag es an mir? Vielleicht waren sie ja schon immer so gewesen? Möglicherweise hatte Nicole mir die Augen für eine Dynamik geöffnet, die bereits die ganze Zeit über vorhanden gewesen war.
    Ich trottete aus dem Zimmer, wobei ich mir Mühe gab, nicht zu rennen. Nicole erwartete mich hinter der Großvateruhr.
    Wir beobachteten, wie die nächsten Kinder in den Salon gingen und die Tür hinter sich schlossen. Ihre Freudenschreie wehten unter dem Türspalt hindurch und zu uns herüber.
    Ich musste ihre Sachen packen. Und zwar schnell, sonst würde man sie ohne sie fortbringen. Andererseits bedeuteten weniger Kinder weniger Zielscheiben, an denen die Heimleiterin ihr Mütchen kühlen konnte. Jeder Instinkt riet mir, zur Vordertür hinauszulaufen und nicht mehr stehen zu bleiben.
    Sobald es möglich war, zog Nicole mich um die Ecke. »Alles in Ordnung?«
    »Ja. Ich habe ihr nichts erzählt.«
    »Also auch nichts davon, dass dir dauernd schlecht ist, und von den Ohnmachtsanfällen, richtig?«
    »Nein, kein Wort.« Mein ganzer linker Oberschenkel war mit blauen und grünen Flecken übersät, und mein Knie war geschwollen. Ständig verletzte ich mich, konnte mich aber nur selten daran erinnern, wie es passiert war.
    Sie war sichtlich erleichtert. »Sehr gut. Wir werden es selbst rauskriegen. Über Google.«
    »Google ist dein Gott.« Ich hakte Nicole unter und steuerte auf die Küche zu.
    »Nee, mein Gott hat viele Namen, aber keiner davon lautet Google.« Nicole zupfte an meinem hastig geflochtenen Zopf. Es war schön zu lachen. Auch wenn es nur für einen Moment war.

[home]
    Kapitel 10
    A ls wir unseren Beobachtungsposten bei der Villa bezogen, auf die Tens beim Joggen gestoßen war, hatten die Vögel gerade erst ihren Morgengruß angestimmt. Ich hatte eines seiner Flanellhemden über Jeans und Baumwollpulli gezogen und mein Haar unter einer Baseballkappe versteckt. Er trug Schwarz, wodurch er noch größer und schlanker und außerdem unverschämt gut aussah.
    Den Pick-up hatten wir einige Kilometer entfernt an einem Bootsanlegesteg am Wildcat Creek geparkt. Da es noch nicht Frühling war, waren die Felder schlammig und warteten darauf, bestellt zu werden.
    Tens kauerte sich neben mich ins Gebüsch. »Das ist es.«
    Wir hatten uns so unauffällig wie möglich angepirscht und versucht, wie zwei Menschen bei einem Morgenspaziergang zu wirken. Wir hatten sogar eine Leine dabei und Custos ein Halsband umgelegt, um Fremde glauben zu machen, dass wir nur unseren Hund ausführten. Vermutlich hätte sie mich gefressen, wenn ich versucht hätte, sie tatsächlich an die Leine zu nehmen. Sie dazu zu überreden, das Halsband zu dulden, war schon schwierig genug gewesen. Es war mit rosafarbenen Herzchen und falschen Diamanten besetzt und stammte natürlich aus Jois Valentinskollektion für Hunde. Vielleicht war das ja ein Grund für Custos’ Widerstand. Sie hatte Glück, dass ich ihr nicht auch noch das Ballettröckchen und das Diadem verpasst hatte, die es auch in einer riesenhaften Ausführung für die größere Hundeprinzessin gab.
    Tens stieß mich an. »Was denkst du?«
    »Es ist ziemlich unheimlich.« Ich konnte nicht verhindern, dass mir vor Angst die Knie zitterten.
    Er nickte. »Eine tolle Kulisse für einen Horrorfilm.« Vermutlich stand ein Lächeln in seinen Augen hinter der überflüssigen Sonnenbrille. Tens verbarg oft seine Augen.
    Ich zwang mich zu einem Lachen, um die Angst zu vertreiben. »Und wir sind dann die ahnungslosen, neugierigen Komparsen, die sich jeden Moment in Zombies verwandeln werden.«
    »Nein, wir sind die, die dank ihrer Klugheit und Geschicklichkeit überleben.« Tens’ Zähne blitzten im frühmorgendlichen Dämmerlicht auf.
    »Was ist das denn für ein Haus?«, fragte ich.
    »Laut Joi eine Rehaklinik. Sie haben keine eigene Webseite, werden aber auf anderen Seiten als Einrichtung aufgeführt, in der sich Senioren über achtzig von einem Schlaganfall, einer Operation oder einer gebrochenen Hüfte erholen können. Diese Art Laden eben.« Tens’ Stimme war nur ein Flüstern. Custos winselte bei jedem seiner Atemzüge und

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