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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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zurückgenommen. Es gab keinen Grund, sein Kind wegzugeben. Überhaupt keinen.
    Tens, der meine Aufgewühltheit spürte, ergriff das Wort. »Wie lange bist du denn schon hier?«
    Ich blinzelte und versuchte, mich wieder zu fassen.
    Bodie zappelte herum, pflückte Grashalme und zerriss sie in kleine Stücke. »Noch nicht lange. Wir werden oft verlegt. Das Heim ist scheußlich. Und die Heimleiterin ist ein Teufel.«
    »Hat sie hier das Sagen? Ist sie gemein zu dir?«, erkundigte sich Tens.
    »Ja, fies und gemein. Aber Juliet tut alles, um mir zu helfen. Nico auch.«
    »Das ist doch gut, oder? Vielleicht musst du ja nicht lange bleiben, oder?«, wandte ich ein.
    »Bodie! Bodie, wo bist du?« Eine ernste Mädchenstimme hallte vom Haus herüber.
    »Das ist Nico. Ich muss los. Kommt ihr wieder und besucht mich? Ich verstecke mich oft in den Bäumen.«
    »Klar kommen wir zurück«, erwiderte Tens. »Aber du musst versprechen, niemandem zu verraten, dass du uns getroffen hast.«
    »Nicht mal Juliet und Nico?« Die Notwendigkeit der Geheimhaltung schien ihn traurig zu machen.
    »Nicht einmal ihnen.« Tens schüttelte feierlich den Kopf.
    Bodie stimmte widerstrebend zu. »Okay, aber ihr würdet sie mögen. Sie sind wie ihr.« Er trottete davon, schlüpfte durch den Zaun und drehte sich ein letztes Mal zu uns um. »Passt mit dem Giftefeu auf – der tut weh, wenn man ihn lässt.«
    Als wir über die Böschung spähten, sahen wir ein braunhaariges Mädchen in einem langärmeligen Jeanskleid, das Bodie umarmte. Sie war nicht viel größer als er. Liebevoll und sanft schob sie ihn in Richtung Haus. Man musste Bodie zugutehalten, dass er sich nicht mehr umschaute oder sonst einen Hinweis auf unsere Anwesenheit gab.
    »Interessant«, murmelte Tens.
    »Wie hat er das mit dem Efeu gemeint?«, fragte ich und erschauderte. Es hatte wie eine finstere Warnung geklungen.
    »Keinen Schimmer.« Das Haus wirkte dunkel, stickig und muffig. Am liebsten hätte ich den Dreck und die Verzweiflung weggeschrubbt, die jede meiner Poren zu verstopfen schienen. Ich konnte mir nicht vorstellen, in diesem Haus zu wohnen. Dreißig Meter Abstand waren mir schon zu nah und lösten einen heftigen Drang zu fliehen in mir aus. »Hier leben Pflegekinder? Ich dachte, es sei ein Heim für alte Leute. Entsetzlich, nicht?«
    »Deshalb sind wir ja gekommen. Wir werden es herausfinden.« Tens schaute hinauf zum Himmel, wo die rosigen Streifen der Morgendämmerung der hellen Sonne wichen. »Ich glaube, unser neuer Freund könnte uns dabei helfen.«
    Ich drehte mich zu dem verfallenen Haus um und betrachtete es. »Meinst du, sie ist da drin?«
    »Da ist auf jeden Fall jemand oder etwas.« Tens ließ zu, dass ich nach seiner Hand griff, und drückte sie.
    Ich konzentrierte mich. »Ja, das spüre ich auch. Sollen wir einfach an die Tür klopfen und feststellen, ob sie uns braucht? Jetzt?« Am liebsten wäre ich losmarschiert – allerdings mit einer Armee und einem Schlachtplan.
    »Er hat die Heimleiterin als Teufel bezeichnet. Was, wenn sie eine Aternocta ist?« Tens wischte sich die freie Handfläche an seiner Jeans ab.
    »Du denkst doch nicht etwa, dass er das wörtlich gemeint hat.« So einfach war es sicherlich nicht.
    Tens zuckte mit den Achseln. »Kinder haben feine Antennen für diese Dinge. Es wäre fatal, wenn wir ihm nicht glauben und es später bereuen.«
    »Stimmt. Aber dass eine Aternocta hier wohnt? Zusammen mit einer Fenestra?«
    »Was, wenn sie keine …«
    »Sprich es nicht aus. Ich weigere mich zu glauben, dass wir zu spät kommen.«

[home]
    Kapitel 11
    Juliet
    E s war schon spät in der Nacht, als Bodie »Juliet?« rief. Bald krabbelte er unter den Putzutensilien hindurch zu meinem Bett unter der Treppe. »Kann ich bei dir schlafen?« Seine Stimme zitterte.
    »Wie viel Uhr ist es?« Ich blinzelte in den grellen Lichtkegel seiner Taschenlampe. Mini streckte sich und schlüpfte aus meinen Armen, um ihm Platz zu machen.
    »Weiß nicht. Bitte!« Sein Gesichtsausdruck war wie ein Magenschwinger. Offenbar rechnete er damit, dass ich ihn wegschicken würde. Nun, das war schließlich seine bisherige Lebenserfahrung. Wie bei uns allen.
    »Klar«, versicherte ich ihm. Erst viele Stunden nachdem ich die Kinder mit Geschichten, die ihnen schöne Träume verschaffen sollten, ins Bett gebracht hatte, war ich auf meine Matratze gefallen. Ich griff nach dem kleinen Reisewecker, der einmal Edith German gehört hatte, und erkannte, dass ich erst vor einer halben

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