Meridian - Flüsternde Seelen
dass du von Keksen träumst, einverstanden?«
»Keksen?«
»Genau. Von einer Welt, in der alles aus Schokoladenplätzchenteig besteht und in der du alles essen kannst, was du willst.«
»Alles?«
»Tust du das für mich?« Ich zwinkerte verschwörerisch.
»Wird gemacht.« Er nickte, als hätte ich ihn mit einer weltbewegenden und unbeschreiblich wichtigen Aufgabe betraut.
Während ich ihn auf die Stirn küsste, kam Mini herein und miaute.
»Hallo, Kätzchen. Wer braucht Juliet diesmal?« Bodie bückte sich und küsste Mini auf die Stirn wie ich gerade ihn.
»Du wirst im Pferdezimmer gebraucht«, verkündete er, bevor er ging.
Nicole schaute ihm nach. »Soll ich nach Mr. Daniels sehen?«
»Nein, ich erledige das.« Ich war zu erschöpft, um mich zu fragen, woher Bodie sein Wissen hatte. Oder hatte er nur geraten?
»Bist du sicher?«
Mini trottete neben uns her die Treppe hinauf.
»Ja, bin ich.« Ich öffnete die Tür des Pferdezimmers. Mini sprang mit zwei raschen Sätzen auf Mr. Daniels’ Brust.
Nicole schickte Bodie hinaus und ins Bett.
Ich begrüßte Mr. Daniels, der beim Klang meiner Stimme die Augen aufschlug. Zuerst nannte ich ihm Tag, Uhrzeit und meinen Namen, da ich stets annahm, dass die Gäste das nicht mehr wussten oder mich vielleicht nicht erkannten. Dann versuchte ich vorsichtig, nicht gestellte Fragen zu beantworten oder Dinge zu erklären, die leicht missverstanden werden konnten. Schließlich sollten die Sterbenden auf gar keinen Fall unnötige Ängste ausstehen. Ich kontrollierte Mr. Daniels’ Atmung, feuchtete ihm die Lippen an und wusch ihm das Gesicht mit einem Lappen und warmem Wasser. Alles Dinge, die Kirian mir in dem Jahr vor seinem Abschied beigebracht hatte.
Danach ließ ich mich, Mini auf dem Schoß, in einem Sessel nieder und streichelte sie mit beiden Händen. Mit der einen kraulte ich sie unter dem Kinn, die andere glitt über ihren Rücken. Vielleicht lenkten die beruhigenden Bewegungen mich von meinem eigenen Rücken ab, denn das Brennen der Verletzungen legte sich.
Ich fühlte Mr. Daniels den Puls. Seine Füße zuckten unter Laken und Decken. Ruhelosigkeit war ein Symptom, auf das ich inzwischen achtete.
Als er nach meiner Hand griff, erschrak ich und sah ihm in die sehr klaren blauen Augen. »Du wirst geliebt. Du bist etwas Besonderes. Du bist ein Wunder.«
Ich hatte keine Ahnung, was ich darauf erwidern sollte. Manchmal fragten die alten Leute nach anderen Menschen oder baten um Wasser. Aber meistens waren sie bei ihrer Einlieferung bewusstlos oder wurden von der Heimleiterin mit Medikamenten ruhiggestellt.
Er umklammerte fast schmerzhaft meine Hand, schleuderte mit der anderen die Bettdecke weg und setzte sich auf. »Es ist so schön. Sie hat versucht, dich zu schützen, damit dir nichts zustößt. Aber sie hat Hilfe geschickt. Sie sind hier. Rings um uns. Liebevoll. Hilfreich.« Er schaute durch mich hindurch. Als er lächelte und Grübchen zeigte, sah ich kurz den jungen Mann, der er einmal gewesen war.
»Juliet. Juliet!« Mein Name klang wie aus weiter Ferne.
Ich öffnete die Augen und stellte fest, dass mein Kopf auf der Matratze ruhte. Mr. Daniels’ Hand in meiner war schlaff und kalt geworden. Die Bettdecke war zerwühlt.
»Was ist passiert?«, fragte ich Nicole.
»Ich glaube, du bist in Ohnmacht gefallen.« Nicole musterte mich prüfend. »Ist alles in Ordnung?« Ihre Besorgnis war nicht zu übersehen.
»Ich weiß nicht. Mr. Daniels hat sich aufgesetzt und geredet.«
»Er ist tot. Ich bin vor etwa einer Stunde rausgegangen, und als ich wiederkam, war er gestorben. Und du warst nicht wach zu kriegen.«
Die Bettdecke umklammernd, stand ich auf. Mir wurde schwindelig. »Wo ist Mini?« Meine Knie fühlten sich geschwollen und steif an, als hätte ich stundenlang auf Glasscherben gekniet.
»Keine Ahnung. Ich habe sie nicht gesehen. Du machst so ein Gesicht. Wo außer am Rücken hast du sonst noch Schmerzen?«
»Meine Knie. Und Kopfweh habe ich auch.« Das Übliche also. »Wer hat heute Nachtdienst?«
»Chi.« Nicole legte mir die Hand auf die Stirn. »Einatmen.«
Ich gehorchte, hatte aber nicht die Geduld für ihre Bemühungen, mich zu heilen, und atmete schon im nächsten Moment wieder aus. »Sag ihm, er soll alles Nötige veranlassen. Ich muss schlafen.«
»Okay.« Nicole half mir nach unten in mein Kämmerchen. Meine Gelenke schienen sich bei jedem Schritt zu lockern. »Was macht der Rücken?«
»Tut nicht weh.« Noch während ich die
Weitere Kostenlose Bücher