Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
Vom Netzwerk:
darauf, dass das nicht so ist?«
    »Tens, hör auf. Gut, dann begleite mich eben. Aber wenn es so nicht klappt, gehe ich das nächste Mal allein. Du kannst dich ja im Gebüsch verstecken – oder in deinem eigenen Arsch.« Ich marschierte ins Bad.
    »Super!«, hörte ich ihn durch die Tür brüllen. Im nächsten Moment wurde die Eingangstür zugeknallt. Custos jaulte.
    Er hatte mich so wütend gemacht, dass ich mir das Gesicht schrubbte, bis es brannte.
    Mir war klar, dass ich in allen Lebenslagen auf ihn zählen konnte. Und ein Teil von mir rebellierte dagegen. Ich wartete regelrecht auf den Tag, an dem er beschließen würde, dass er keine Lust mehr hatte. Dass es besser für ihn war, zu verschwinden und so zu tun, als wäre er ein ganz gewöhnlicher Mensch. Ständig rechnete ich damit, dass er mir eine Busfahrkarte in die Hand drückte und mich in die Wüste schickte.
    Denn das lag im Bereich des Möglichen. Er konnte im Gegensatz zu mir nämlich einfach gehen.
    Ganz gleich, wohin ich auch floh, die Eigenschaften einer Fenestra konnte ich nicht abstreifen, während es ihm freistand, ob er mich beschützen wollte oder nicht. Wenn er die ständige Konfrontation, die Drohungen der Aternocti und die dauernde Ungewissheit satthatte, konnte er mich zurücklassen. Was machte es schon groß, wenn er gelegentlich wusste, ob ich traurig, glücklich oder verängstigt war? Das konnte er einfach ignorieren. Schließlich hatte meine Mutter es ja auch geschafft, die Tierleichen um mich herum zu ignorieren. Also sollten Gefühle kein Problem für Tens darstellen. Jedenfalls ein weitaus geringeres als die Toten und die Seelen, die auf mich einstürmten. Warum konnte ich ihm das nicht einfach erklären? Weshalb musste ich Streit anfangen und hoffen, dass er es auf diese Weise kapierte? Ich sank auf den Fliesenboden. Nach einer Weile jedoch legte sich mein Zorn, und ich konnte die Dinge wieder realistisch sehen.
    Als ich aus der Hütte kam, saß Tens im Pick-up. Custos lag wartend auf der Ladefläche. Ihr Schwanzwedeln gab mir die Kraft, zum Auto zu gehen und die Beifahrertür zu öffnen. Ich stieg ein.
    »Bist du bereit?«, fragte Tens. Anspannung lag in der Luft.
    Ich nickte und klappte den Mund auf, brachte aber nicht heraus, was ich wirklich empfand.
    Wir fuhren zum Bootsanlegesteg und machten uns zu Fuß auf den Weg, wobei wir einen Schwarm Wachteln aufschreckten. Die Vögel rannten vor uns davon wie im Zeichentrickfilm und flatterten schließlich ins Gebüsch. Wir schritten rasch aus, weil Tens’ Beine doppelt so lang waren wie meine und der Zorn ihn vorantrieb.
    Ich rannte neben ihm her, um nicht abgehängt zu werden, weil ich ihn nicht bitten wollte, langsamer zu gehen. Eichhörnchen beschwerten sich über die Störung.
    Kardinäle, Stärlinge und Meisen, noch mit Wintergefieder, bevölkerten die Baumkronen. Winzige veilchenähnliche gelbe Blumen und violette Krokusse bedeckten den Boden, und verschiedene Farnsorten reckten ihre Wedel der Sonne entgegen, als wären auch sie den Winter leid.
    Als wir uns dem Dunklebarger näherten, prickelten meine Fingerspitzen, und meine Füße fühlten sich an, als wäre ich durch einen hüfthohen Ozean gewatet. Um mich herum wogten Energie und noch etwas, das mich zu überwältigen und geistig aus meinem Körper zu entführen drohte. Ich musste mich mit aller Kraft dagegen stemmen, um nicht abzugleiten.
    »Tens?«, flüsterte ich.
    Ich fühlte mich schwummerig. Seltsam. Nicht schlecht, aber auch nicht angenehm.
    »Was hast du? Was ist los?« Tens griff nach meiner Hand. »Du glühst ja.«
    In diesem Moment war unser Streit vergessen; unsere Aufmerksamkeit galt nur noch dem Hier und Jetzt.
    »Keine Ahnung. Mir ist irgendwie komisch.« Obwohl ich den Eindruck hatte, ihn anzuschreien, waren die Worte selbst für mich kaum zu hören.
    »Was meinst du mit komisch? Wir sind fast am Haus. Willst du umkehren? Wieder zurück?«
    Als ich den Arm um Tens’ Taille legte, konnte ich einen kalten metallischen Gegenstand am Rücken spüren.
    »Nein, weiter.« Sicher war ich mir dabei aber nicht.
    Er gab zwar aufmunternde Geräusche von sich, wirkte jedoch, als sei er versucht, mich hochzuheben und nach Hause zu tragen. »Wir sind fast da. Schau, da vorn ist jemand.«
    Da ich auf den Boden starrte, musste ich den Kopf heben, um etwas zu sehen. Ich nickte. Weder Bodie noch die Katze.
    »Hallo?« Tens drückte mich an seine Seite, als wir uns dem Mädchen näherten, das in den Bach schaute.
    Sie fuhr

Weitere Kostenlose Bücher