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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Custos uns anbellte, den zu Boden gefallenen Zettel mit der Zunge aufhob und ihn mir auf den Schoß warf. Wir kicherten, und ich tat, als bemerkte ich nicht, wie Tens sich mit dem Hemd das Gesicht abwischte.
    »Was steht drauf?«
    »Eine Nachricht von Joi:
Anthony Theobald, ehemaliger Priester, veranstaltet nun Führungen im Eiteljorg Museum,
500
West Washington Street, Indianapolis. Ich habe ihm gesagt, Freunde von mir würden sich mit ihm in Verbindung setzen. Hier ist seine Mobilfunknummer …
«
    »Ehemalig? Glaubst du, das ist der Richtige?«
    »Keine Ahnung. Kann nicht schaden, das herauszufinden. Sollen wir ihn anrufen?«
    »Lieber nicht. Lass uns an einer Museumsführung teilnehmen.«
    Tens schaute auf die Uhr in der Gestalt eines Hahns, die über der Spüle hing. »Wenn wir gleich losfahren, schaffen wir es noch rechtzeitig.«
    »Dann also los.«

[home]
    Kapitel 20
    T ens fand einen Parkplatz am Central Canal, und wir gingen Hand in Hand zum Museum.
    »Beeindruckend.« Tens pfiff durch die Zähne.
    »Ja, Wahnsinn.« Die Lagen aus aprikosenfarbenem, beigem und rotem Stein erweckten den Eindruck, als sei das Museum vor Ewigkeiten aus dem Boden gestampft worden. Selbst in der Abenddämmerung fing sich noch weiches Sonnenlicht in den Mauern.
    Tens öffnete die Tür und zog mich zum Informationsschalter.
    »Du siehst genauso aus wie dein Großvater.«
    Als wir uns gleichzeitig umdrehten, kam ein Ebenbild von Robert de Niro mit ausgestreckter Hand auf uns zu.
    Tens’ Großvater Tyee Kemp hatte meine Tante und Charles während des Zweiten Weltkriegs kennengelernt und den Kontakt mit ihnen gehalten. Ich hatte spioniert und die Briefe gefunden, die Tyee ihr im Laufe ihrer über fünfzig Jahre langen Freundschaft geschrieben hatte. Da Tens nicht viel über ihn sprach, wusste ich noch immer nicht, warum er vor zwei Jahren Seattle und seinen Großvater verlassen und plötzlich bei meiner Tante vor der Tür gestanden hatte. Er war zu Fuß quer durchs Land gereist und hatte sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten. Doch ich kannte nicht viele Einzelheiten.
    »Verzeihung?«, fragte Tens.
    »Oder irre ich mich? Du musst doch mit meinem Freund Tyee verwandt sein.«
    Ich lächelte. Also war das eindeutig unser Vater Anthony.
    Tens’ Nicken ging in einer schwungvollen Umarmung unter. Ich war als Nächste an der Reihe. Der Mann roch nach Seife und einem dezenten Rasierwasser, das mich an meinen Vater erinnerte.
    »Vater Anthony?«, erkundigte ich mich.
    Er nickte, allerdings ohne den Blick von Tens abzuwenden, als versuchte er, sich seine Gesichtszüge einzuprägen. »Das war einmal. Es ist ja so schön, dich zu sehen. Auf dem letzten Foto von dir, das ich bekommen habe, hast du deinen zweiten, nein, ich glaube, den dritten Geburtstag gefeiert.«
    »Sie kennen mich?«, wunderte sich Tens.
    »Tenskawtawa Kemp, Enkel von Tyee und Rosie?«
    »Nein. Ja. Ich bin ihr Enkel, aber mein Name ist Valdes.«
    »Ach, richtig. Es ist so lange her. Wie geht es deinem Großvater? Ich habe es sehr bedauert, vom Tod deiner Großmutter zu hören.«
    »Ich kannte sie kaum. Aber mein Großvater …« Tens verstummte und ergriff meine Hand.
    »Er ist gestorben«, beendete ich den Satz.
    Vater Anthony ließ die Schultern hängen, und ein trauriger Ausdruck trat in seine Augen. »Mein Beileid. Er war ein guter Mensch, einer der besten.« Er drehte sich zu mir um. »Tut mir leid. Ich zeige hübschen Damen sonst nicht die kalte Schulter.«
    Ich tat seine Entschuldigung mit einer Handbewegung ab. »Ich heiße Meridian Sozu.«
    »Dann seid ihr beide also die Freunde von Joi, die mich suchen?«
    Ich nickte. »Ja, wir müssen mit Ihnen sprechen.«
    »Ich habe in ein paar Minuten eine Führung.«
    »Mr. Theobald, die beiden sind heute Abend die einzigen Besucher!«, rief das Mädchen am Informationsschalter und musterte uns neugierig.
    »Nun denn. Wollt ihr euch das Museum ansehen, oder sollen wir lieber einen Kaffee trinken?«
    »Wir sind hier, um mit Ihnen zu reden«, erwiderte Tens.
    »Natürlich schauen wir uns später gern das Museum an«, fügte ich hinzu, denn ich hatte das Gefühl, unser mangelndes Interesse an den Exponaten entschuldigen zu müssen.
    Um Vater Anthonys Augen entstanden Fältchen, als er mich anlächelte. »Dann also ein andermal. Gleich hier in der Straße gegenüber vom Hotel gibt es ein Café. Wollen wir uns in zehn Minuten dort treffen? Ich melde mich nur von der Arbeit ab.«
    Auf dem Weg die Straße hinunter

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