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Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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wächst scheußlicher Giftefeu.«
    Das war jetzt schon das zweite Mal, dass uns jemand vor dem Efeu warnte. Kam der nicht nur an alten Backsteingebäuden vor? »Was ist das?«
    »Wie kannst du nicht wissen, was Giftefeu ist?«, entgegnete sie und machte ein ziemlich entsetztes Gesicht.

[home]
    Kapitel 23
    Juliet
    N ach nur zwei Stunden Schlaf kochte ich Haferbrei und toastete Brot für uns vier Kinder. Es war seltsam, dass alle Zimmer unbewohnt waren. Soweit ich mich erinnern konnte, war das noch nie vorgekommen. Sie waren alle gestorben, alle auf einmal oder kurz hintereinander.
    Ich hatte den Geschmack von sahnigen Käsenudeln und einem üppigen, weichen Schokokuchen auf der Zunge und hoffte, die Heimleiterin würde lange genug ausgehen, damit ich das Essen von meinem Kopf auf unsere Teller zaubern konnte.
    Die Erschöpfung nach den Ereignissen dieser Nacht lastete auf mir wie nasse Winterkleidung beim Durchschwimmen eines Bachs. Ich wusste nicht, wie lange ich noch in der Lage sein würde, mich gegen einen Sog zu stemmen, den ich nicht verstand.
    »Wie geht es dir heute?« Nicole fühlte mir die Stirn.
    »Vielleicht kriege ich eine Erkältung.« Mein Gesicht glühte, und ich fühlte mich, als hätte ich Fieber. Außerdem war meine Kehle ganz wund.
    »Wirst du etwa krank?«
    »Natürlich nicht.« Krankheit war kein akzeptabler Grund, mit der Arbeit auszusetzen.
    »Ob du dich besser wieder hinlegst?«
    »Ich kann nicht.«
    »Ich denke, wir müssen über deinen Geburtstag reden.«
    »Was soll damit sein?«
    »Was willst du tun?«
    »Tun?«
    »Danach. Wenn sie dich fragt, was du vorhast?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du musst dir etwas überlegen.«
    »Ich kann nicht«, stieß ich hervor. »Lass es einfach gut sein.«
    »Die Zeit lässt sich nicht aufhalten.« Nicole sah mich traurig an. Dann ging sie zur Speisekammer und holte eine braune Papiertüte. »Hier hast du ein paar Anziehsachen.«
    »Wofür?«
    »Damit die Leute nicht so glotzen.« Als ich nicht nach der Tüte griff, drückte sie sie mir in die Hand. »Beim Kaffee mit Ms. Asura. Warum duschst du nicht? Vielleicht fühlst du dich dann besser.«
    Ich nickte, da mir der Hals zu weh tat, um zu widersprechen. »Danke«, erwiderte ich.
    Sie nickte und wandte sich dem schmutzigen Geschirr zu.
    So gern ich auch den ganzen Tag in heißem Wasser verbracht hätte, beeilte ich mich beim Duschen, damit die Heimleiterin meine Abwesenheit nicht bemerkte. Dann zog ich die enge schwarze Jeans, das schwarze T-Shirt mit aufgedruckten Tierkreiszeichen und den roten Kapuzenpulli an.
    Da Nicole nur Kleider trug, wusste ich, dass es nicht ihre Sachen waren. Außerdem hätte ich weder von der Länge noch von der Breite her hineingepasst. Meine Turnschuhe fielen mir inzwischen fast von den Füßen. Sie hatten früher Mrs. Kapowski gehört, die drei Wochen hier gewesen war und mir ein französisches Gutenachtlied beigebracht hatte, das ich nun immer den Kindern vorsang.
    Als ich aus dem dampfigen Badezimmer im Obergeschoss kam, rief die Heimleiterin mich in ihr Büro. Sie trug ihre übliche alptraumhafte Blümchenbluse aus Polyester und dazu eine Hose, deren Braun an erbrochene Pflaumen erinnerte. Da sie das Haar straff zurückgesteckt und zu viel orangefarbenes Rouge benutzt hatte, wirkte ihr Mondgesicht noch runder, und ihr Dreifachkinn wurde betont. Sie war aufgetakelt und strotzte vor Energie. Nichts wies darauf hin, dass sie am Vorabend in einem Kleid mit V-Ausschnitt und Gesundheitsschuhen herumgelaufen war. Ich versuchte, mich auf ihre Worte zu konzentrieren, bevor sie meine Geistesabwesenheit bemerkte und mich dafür bestrafte.
    Sie hielt mir eine Gardinenpredigt. »Ich weiß, dass du dich gut benehmen wirst. Die Leute stellen an Kinder aus dem Dunklebarger hohe Erwartungen. Also komm bloß nicht auf dumme Gedanken.« Ihr Gesichtsausdruck wies darauf hin, dass die Wahrheit einer der Gedanken war, auf die ich keinesfalls kommen sollte.
    »Ja, Ma’am.« Ich wich ihrem Blick aus und starrte zu Boden.
    »Ms. Asura ist eine meiner besten Freundinnen.«
    »Ja, Ma’am.« Das bezweifelte ich zwar, doch es wäre andererseits eine Erklärung dafür gewesen, warum sie immer unter einer Decke zu stecken schienen.
    »Ich verlange, dass du die Arbeit nachholst. Getrödelt wird nicht«, blaffte sie.
    »Ja, Ma’am.« Ich spähte unter den Wimpern hervor. Sie hatte sich mit weicher, träumerischer Miene zum Fenster umgedreht.
    »Sie ist so ein optimistischer Mensch«, fuhr sie in warmem,

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