Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meridian - Flüsternde Seelen

Meridian - Flüsternde Seelen

Titel: Meridian - Flüsternde Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
Vom Netzwerk:
lassen, sah ich sicher aus wie ein Landei, das zum ersten Mal in der Stadt war. Das also war die Normalität, der Alltag. Als eine Gruppe von Mädchen in meinem Alter kichernd am Fenster vorbeihüpfte, wurde ich von heftigem Neid ergriffen. Etwa zehn Minuten später erschien Ms. Asura mit einem erwartungsvollen Leuchten in den Augen.
    »Die Leute in dieser Stadt sind so nett.« Sie stellte unsere Tassen hin und warf einen Blick auf die Männer, die lächelten und ihr zuzwinkerten.
    »Kennen Sie sie?«, fragte ich.
    »Die Männer? Nein, genau das habe ich ja gemeint. Freundlich, freundlich, freundlich.« Lächelnd trank sie einen Schluck. Der Schaum auf ihrem Kaffee war mit einem Herzchen verziert. Sie zeigte darauf. »Süß.«
    Der Tisch, an dem wir saßen, hatte eine Glasplatte, unter die die Leute Visitenkarten, Zettel und Nachrichten geschoben hatten. Genau in der Mitte lag das Flugblatt, das der Glasmann im DG abgegeben hatte.
    Offenbar schnappte ich nach Luft oder machte sonst ein Geräusch, denn Ms. Asura zuckte zusammen. »Was ist?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nichts.« Aber mein Puls raste wie wild.
    Ihr Lächeln verflog, als sie sich umdrehte, um das Flugblatt lesen zu können. »Tag der offenen Tür in einem Glasatelier? Interessierst du dich für Glaskunst?«
    »Nein … ich … ich weiß nicht«, stammelte ich und fing an, die Einwickelpapiere der Strohhalme zusammenzuknüllen.
    Sie musterte mich argwöhnisch. »Ich habe den Eindruck, dass du das Flugblatt erkennst. Bist du diesem Mann schon einmal begegnet?«
    »Ich …«
    Sie entspannte sich, als ob jemand einen Lichtschalter umgelegt hätte, und grinste mich an wie ihre beste Freundin. »Es ist kein Verbrechen, mit anderen Menschen zu reden, Juliet.« Sie trank noch einen Schluck und lehnte sich zurück.
    »Er ist ins Dunklebarger gekommen, aber ich habe nichts gesagt …«
    Ihr Lächeln wurde breiter. »Kein Problem. Es bleibt unser Geheimnis. Was wollte er denn?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Uns nur auf eine Party einladen.«
    »Hat er das Wort Party benutzt?« Ihr Tonfall wurde schärfer.
    »Äh, nein. Ich glaube nicht. Ich weiß nicht mehr. Ich habe ihm gesagt, er solle wiederkommen und mit der Heimleiterin sprechen.«
    »Vielleicht sollten wir ja mal bei dieser Nicht-Party vorbeischauen. Klingt, als könnte es lustig werden.« Sie summte vor sich hin. »Und jetzt erzähl mir mehr über dich.« Jedes Wort hörte sich weniger aufrichtig an als das vorangegangene. Allmählich kamen mir Zweifel, ob sie das wirklich interessierte. »Äh …«
    »Was hast du für Träume und Hoffnungen? Wo siehst du dich in zehn Jahren? Oder in zwanzig?«
    »Ich weiß nicht.« Zum Träumen hatte ich keine Zeit, und zum Hoffen fehlte mir die Kraft. Über das Heute blickte ich nie hinaus. Ich wünschte mir nur ein anderes Morgen.
    »Jedes Mädchen träumt von jemandem oder von etwas. Mir kannst du es doch verraten. Wartet vielleicht ein Junge auf dich? Was möchtest du denn gern werden?«
    Als sie einen Jungen erwähnte, fing mein Gesicht an zu glühen. Vermutlich las sie die Postkarten, die sie weitergab, und war deshalb über Kirian im Bilde. Aber ich wollte nicht mit ihr darüber reden. »Vielleicht …« Ich zermarterte mir das Hirn nach etwas, das plausibel klang. »Mutter«, stieß ich schließlich hervor.
    »Wünschst du dir Kinder? Ich wüsste nicht, was ich ohne meine täte.«
    »Sie haben Kinder?«
    Vor Schreck schwappte ihr der Kaffee über. »Nein, nein, nicht offiziell. Aber ich habe mir eine Familie aufgebaut …« Sie hielt inne. »Und was willst du beruflich machen?«
    »Ich glaube, ich werde Hausfrau.« Ich schöpfte aus den Gesprächen und Träumen, die ich mit Kirian geteilt hatte, um diese Fragen zu beantworten. Allerdings hatten die Antworten nichts mit mir persönlich zu tun. Nicht mehr.
    »Du willst nur Mutter werden? Sonst nichts?« Ihre Miene zeigte Enttäuschung.
    »Klar.« Ich ließ mich nicht beirren.
    Offenbar war sie nicht damit zufrieden. »Du klingst wie deine … Nur Mutter? Ich kann mir bei dir so viel mehr vorstellen als nur Mutter. Schauspielerin, Politikerin, Anwältin.«
    Ich gab nach, um das Gespräch nicht zum Erlahmen zu bringen. »Lehrerin?«
    Ihr Gesichtsausdruck wurde berechnend. »Lehrerin. Das hört sich interessant an. Das passt meiner Ansicht nach zu dir. Also musst du aufs College. Das ist der Vorteil einer Unterbringung im Dunklebarger – du hast ein Sparkonto.«
    Ich spielte mit der Schlagsahne auf meinem

Weitere Kostenlose Bücher