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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Meridian eine Traubenlimonade bringen?«
    Ich sah sie erstaunt an. Woher wusste sie, dass ich Traubenlimonade mochte?
    »Das tun wir doch alle, mein Kind.« Sie tätschelte mir die Hand und gab vier gehäufte Löffel Zucker in eine Tasse, deren Inhalt eher an Lakritzepudding als an Tee erinnerte. »Tens, setz dich zu uns.«
    Er ließ sich rittlings auf einem Stuhl nieder, als brauche er die Rückenlehne als Barriere.
    Während ich den Eintopf in mich hineinschaufelte, versuchte ich nicht an Tens’ vorherige Bemerkung über Bambi zu denken. Anschließend aß ich einen großen Bissen von dem besten Brot, das mir je untergekommen war. Gerade hatte ich die letzten Saucenreste aufgetunkt, da bemerkte ich, dass die beiden mich anstarrten, als hätten sie noch nie einen Menschen essen gesehen. Ich wusste nicht, wann ich zuletzt so hungrig gewesen war und so schlechte Tischmanieren an den Tag gelegt hatte. »Tut mir leid.« Schlagartig hielt ich inne und holte Luft.
    »Ich freue mich, dass es dir geschmeckt hat. Du hast eine lange Reise hinter dir, die noch nicht zu Ende ist.« Tante Merry nippte an ihrem Tee, fügte allerdings nichts hinzu.
    Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. »Warum bin ich hier? Wer bist du? Ich meine, ich weiß, dass du meine Großtante bist und dass ich nach dir benannt bin, aber ich bin dir noch nie zuvor begegnet. Was wird hier gespielt? Warum haben meine Eltern mich in ein Taxi verfrachtet und mich ans andere Ende der Welt in ein einsames Schloss mitten in der Einöde geschickt? Und dann machst du« – ich brach ab und zeigte mit dem Finger auf Tens – »gemeine Bemerkungen und glotzt mich abfällig und selbstgerecht an, während du« – mein Finger wanderte zu meiner Tante – »so tust, als würde ich dich nur über die Feiertage besuchen,und du« – ich wandte mich an Custos, die schlafend auf dem Boden neben dem Spülbecken lag – »bringst mich im Schneesturm fast um und beschließt dann plötzlich, dass wir Freundinnen sind. Wir sind keine Freundinnen.«

Kapitel 7
     
     
    »Wo sind meine Eltern?«, fuhr ich fort, weil ich dem Strom der Fragen nicht mehr Einhalt gebieten konnte. »Und was zum Teufel ist eine Fenestra? Ich will keine sein. Ich will mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.« Ich schob meinen Stuhl zurück und stützte mich auf den Tisch. Dann wirbelte ich zu Tens herum. »Und wenn du nicht netter zu mir bist, wackle ich einfach mit den Augenbrauen oder schürze die Lippen oder tue sonst, was zum Teufel ich auch immer anstelle, damit alles in meiner Umgebung stirbt, und dann fällst du tot um. Wer zuletzt lacht, lacht am besten.« Nachdem ich meinem Zorn Luft gemacht hatte, ließ ich mich erschöpft und ziemlich verlegen wieder auf meinen Stuhl sinken.
    Tens besaß die Frechheit, mich anzugrinsen, als hätte ich ihn gerade zum König von Ägypten gekrönt. Ich knurrte ihn an wie ein Hund. »Ich habe dir doch gesagt, dass du nach Portland fahren und sie abholen sollst«, meinte er zu meiner Tante. »Heutzutage tun wir Jugendlichen nicht mehr einfach, was uns gesagt wird. Wir erwarten Erklärungen.«
    Die Tante nickte gelassen. »Vielleicht hast du recht. Tja, offenbar haben wir eine Menge Arbeit vor uns. Ich liebediese Jahreszeit. Tens, bring für Meridian eine Tasse Kakao und für mich noch einen Tee. Ins Wohnzimmer bitte. Es wird eine lange Nacht. Komm mit, liebes Kind. Wir wollen sehen, ob wir ein wenig Ordnung in dem Durcheinander in deinem Kopf schaffen können.«
    Mit erstaunlich festem Griff fasste sie mich am Ellbogen.
    Als Custos an der Küchentür kratzte, öffnete Tante Merry sie geistesabwesend. »Wo soll ich anfangen?«, murmelte sie dabei. »Sie haben sie zu mir geschickt, ohne sie einzuweihen. Was, beim Erzengel Gabriel, haben sie sich bloß dabei gedacht? Haben sie dir denn gar nichts erzählt? Schließlich leben wir im Informationszeitalter, beim Schöpfer.«
    Sie setzte mich vors Kaminfeuer und legte mir eine der zahlreichen Steppdecken um die Schultern. Allmählich zeigte die Mahlzeit ihre Wirkung, und ich fühlte mich wieder wie ein Mensch, nicht mehr wie ein tobender Zombie.
    »Wo fange ich an? Ich habe so etwas noch nie getan. Es war nie nötig.« Sie wirkte gebrechlich, so, als ob sich ihr ganzes Leben zu dieser einen Frage zusammenballte.
    Ich hatte zwar nicht unbedingt gute Laune, war es aber leid, mich zu ärgern. »Warum nicht ganz am Anfang?«
    Sie ließ sich in einem Schaukelstuhl nieder und wippte mit den Füßen beruhigend hin und her.

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