Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
Vom Netzwerk:
Aufschrift ›Annahme verweigert‹ dranhänge?«
    »Dann wirst du sterben.«
    »Wie bitte?«
    »Du wirst sterben. Eigentlich ist es ganz einfach. Entweder lernst du, das zu tun, wozu du geboren wurdest, oder dieerste Seele, die durch dich hindurchgeht, wird dich aufsaugen. Allerdings gibt es noch eine dritte Möglichkeit …«
    Mir stockte der Atem. Ganz sicher hatte ich mich verhört. »Sterben?«
    »Tante.« Tens’ Tonfall war scharf und herrisch.
    »Was wäre die dritte Möglichkeit?«, erkundigte ich mich.
    Die Tante ließ Tens antworten. »Wenn du nicht lernst, wie man eine Fenestra ist, wirst du untergehen.« Er starrte mich eindringlich an.
    »Ja, Kind, so kompliziert ist das gar nicht.« Meine Tante tätschelte mir die Hand, als hätte sie mir gerade verboten, noch mehr Bonbons zu essen. »Ich bin plötzlich so müde.«
    Tens sprang auf, breitete rasch eine der Steppdecken über sie und hob ihre Füße auf eine Ottomane. Dafür, dass die alte Dame nur müde war, wirkte er übermäßig besorgt.
    »Ach, lass dass.« Sie schob seine Hände weg. »Geh und zeig Meridian das Haus. Unternehmt einen Spaziergang. Ich komme auch allein zurecht, Tens. Es ist noch nicht Zeit.«
    »Zeit?«, fragte ich, aber niemand antwortete mir. An dem Satz »Dann wirst du sterben« hatte ich noch immer zu kauen.

Kapitel 8
     
     
    Tens war so gesprächig wie ein Lehmklumpen, als wir durch die zugigen Räume schritten. Ich beobachtete ihn durch halbgeschlossene Lider und überlegte, was wohl seine Rolle in diesem Spiel war. »Also …«, begann ich nach einer Weile beklommenen Schweigens. »Bist du …«
    »Nein.«
    Ich nickte. »Ein Cousin?«
    »Nein.«
    »Und sie ist nicht verrückt?«
    »Nein.«
    »Hast du was gegen mich?«
    »Ne…«
    » …in«, beendete ich das Wort für ihn und packte ihn am Unterarm, damit er stehen blieb. Dann musterte ich ihn und versuchte herauszufinden, ob er ein Freund oder Feind war. Im nächsten Moment fiel mir etwas ein. »Woher wusstest du von dem Autounfall. Er geschah, kurz bevor ich herkam. Haben meine Eltern angerufen?«
    Er seufzte. »Ich könnte dir jetzt sagen, dass deine Eltern angerufen und deine Ankunft angekündigt haben.«
    »Aber?« Meine Instinkte riefen mir zu, dass das nicht die richtige Antwort war. Ich musste es einfach wissen.
    »Wie stark bist du, Supergirl?«
    Nicht sehr.
»Es geht so«, erwiderte ich.
    »Ich weiß Dinge. Bevor sie geschehen. Selbst wenn es weit weg ist. Ich weiß es einfach.«
    »Woher?«
    Er leckte sich die Lippen und verschränkte die Arme. Ich merkte ihm an, dass er überlegte, wie viel er mir verraten durfte.
    »Liest du Gedanken? Weißt du, was ich jetzt denke?« Ich errötete.
    Er lächelte mich an. »Es wäre ein Spaß, dir das weiszumachen, aber nein. So ist es nicht.«
    Mir fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen. »Oh. Wie ist es dann?«
    »Träume. Gefühle.« Er öffnete eine Doppeltür und wies auf einen langen Flur. »Dieser Flügel des Hauses ist unbewohnt. Normalerweise halten wir die Tür geschlossen, um Heizkosten zu sparen. Bestimmt treibt sich dort alles mögliche Getier herum. Ich würde nicht reingehen.«
    »Okay. Was ist mit deinen …« Ich musste rennen, damit er mich mit seinen langen Beinen nicht abhängte. Offenbar wollte er die Hausbesichtigung so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    »Da oben sind noch ein paar Zimmer. Da hast du auch nichts zu suchen …«
    »Du wirst mir nicht antworten, richtig?«
    »Hier haben wir die Galerie, und dort drüben befinden sich Bibliothek und Arbeitszimmer. Da hinten ist die Küche.« So eilig hastete er Treppen hinauf und hinunter und Flure entlang, dass ich hauptsächlich damit beschäftigt war, nicht über meine eigenen Füße zu stolpern, und deshalbkeine Zeit hatte, über seine Ausweichmanöver nachzudenken. »Diese Treppe hinauf am Ende des Flurs ist dein Zimmer. Das deiner Tante liegt genau darunter im ersten Stock. Meins ist da hinten.« Er deutete vage in die entsprechende Richtung, als wollte er mir nicht verraten, wo er wohnte.
    »Also, und was …«
    Plötzlich waren wir wieder in der Küche. Mir stand der Schweiß auf der Stirn, und die Beine taten mir weh.
    Tens kehrte mir den Rücken zu. »Ich habe noch viel Arbeit zu erledigen, okay?«
    »Ich helfe dir.« Ich wollte ihm unbedingt die Informationen entlocken.
    »Spülst du gern Geschirr?«
    »Klar.« Ich dachte, wenn ich spülte und er abtrocknete, würde sich Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch ergeben. Doch knapp zehn

Weitere Kostenlose Bücher