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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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ist es leicht, das Feuer des Zweifels und der Schuldzuweisung in ihnen zu entfachen.« Tens drehte die letzte Schraube fest. »Alles wieder in Ordnung.«
    Ich erschauderte. »Lass uns verschwinden.«
    Er legte mir die Hand auf den Arm. »Sei vorsichtig. Mit dieser Kirche stimmt etwas nicht. In meiner Gegenwart ist Perimo stets die Freundlichkeit in Person, aber er hat tote Augen. Wir sind hier in einer spießigen Kleinstadt, in der die Leute ohnehin zur Bibeltreue neigen. Allerdings hat er eine Lawine losgetreten. Es ist wie ein Zug ohne Bremsen. Als ich ihn ganz zu Anfang gegoogelt habe, konnte ich nichts über seine Vergangenheit herausfinden. Ich bin zwar auf Namen von Kirchen gestoßen, bei denen er angeblichbeschäftigt gewesen sein will, doch in Wirklichkeit handelte es sich nur um Post fächer, stillgelegte Telefonanschlüsse oder Anrufbeantworter. Es ist, als sei er aus dem Nichts erschienen.«

Kapitel 18
     
     
    Geschrei und das Klappern von Töpfen und Pfannen rissen mich unsanft aus dem Schlaf. Ich lag im Bett und versuchte festzustellen, woher im Haus die Stimmen kamen. Tante Merry schimpfte lautstark, Tens antwortete mit einem tiefen Grollen. Als ich aus dem Bett schlüpfte, stellte ich fest, dass ich mich so kräftig fühlte wie schon seit Jahren nicht mehr. Vielleicht sogar zum ersten Mal im Leben. Nichts tat weh, nichts war steif.
    Glas splitterte, während ich die Treppe hinunter in die Küche eilte. »Was ist passiert?«
    Meine Tante hatte hochrote Wangen. »Diese dreckige, gemeine Lüge.« Sie schleuderte die Zeitung auf den Tisch und lief im Raum hin und her. »Ich wusste ja, dass er keine Ruhe geben wird, aber was zu viel ist, ist zu viel.« Ihre zierliche Gestalt wurde von einem heftigen Hustenanfall erschüttert. Ich schenkte ihr ein Glas Wasser ein, Tens klopfte ihr auf den Rücken. Nach Atem ringend, setzte sie sich auf einen Stuhl.
    »Wer hat gelogen?«, fragte ich und griff nach der Zeitung.
    »Der Reverend.«
    Tens nahm kommentarlos einen Schluck aus einer Kaffeetasse, in die mindestens vier Liter hineinpassten.
    »Es ist klar wie Fledermausscheiße, dass dieser Kerl niemals Theologie studiert oder einen Hochschulabschluss gemacht hat.«
    »Was behauptet er denn?«, erkundigte ich mich. Custos trottete herbei. Als sie winselnd den Kopf auf meinen Schoß legte, kraulte ich ihr die Ohren und genoss das weiche Gefühl. Sie erinnerte mich an Sammy, der bei jeder Gelegenheit Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten forderte.
    »Er hat seine zwölf Lakaien angewiesen, diesen Müll zu schreiben und zu veröffentlichen. Lies es! Lies das Geschmier! Und zwar laut. Los.« Meine Tante bedrängte mich, bis ich nach der Zeitung griff.
Außenseiter bringen uns Sünde,
Habgier und Müßiggang als Geschenk.
Eine Mitteilung des Vorstands der
Kirche der wahren Reinheit.
     
    Wir alle kennen die Weihnachtsgeschichte, in der die Heiligen Drei Könige dem Jesuskind Geschenke überreichen. Wir wissen, dass Maria und Joseph Zuflucht in einer Stadt suchten, die der unseren nicht unähnlich war, und dass einfache Leute wie wir Zeugen des Wunders von Christi Geburt wurden.
    Doch die Welt hat sich verändert, und unsere Stadt verkörpert, anders als vor vielen Jahren, nicht mehr das gottesfürchtige Amerika.
    Die Pflichtvergessenheit und der Konsumwahn dieser Gesellschaft haben sich bei uns eingeschlichen. Welche Folgen die Schließung des Stahlwerks, des größten Arbeitgebers der
Stadt, sowie des Kohlebergwerks für uns gehabt haben, brauchen wir Ihnen ja nicht eigens zu schildern. Schließlich haben Sie die Konsequenzen am eigenen Leib zu spüren bekommen. Flei ßige und fromme Mitglieder unserer Gemeinde mussten sich erniedrigen und vor den Suppenküchen Schlange stehen. Aber haben Sie schon einmal über den Grund für diese Schließungen nachgedacht? Nur Profitgier und Zahlen sind schuld daran. Doch Menschen sind keine Nummern, und Gott duldet es nicht, dass seine Kinder sinnlos und wegen der Gewinnsucht anderer leiden.
    Letzte Woche wurde eine kostbare Seele aus unserer Mitte gerissen, weil das Kind in die verbotene Tierfalle von Außenseitern geraten ist. Eine Außenseiterin hat unseren Liebling gefunden. Allerdings können wir uns der Frage nicht erwehren, ob das kleine Mädchen noch bei uns wäre, wenn ein Mitglied unserer Gemeinde es gerettet hätte. Warum hat die Suche nach dem Kind so lange gedauert? Wer hat die Kleine dazu verlockt, so weit vom Weg abzuweichen?
    Die Wölfe haben angefangen, über unser

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