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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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Tens Tante Merry gerade aufs Sofa.
    »Du gehörst ins Bett«, sagte ich, nicht in der Lage, einen sanften Tonfall anzuschlagen.
    »Alles in Ordnung, mein Kind. Es geht mir schon viel besser. Außerdem ist es einsam in meinem Zimmer, und ihr braucht meine Anweisungen, um die Arme zu verarzten. Nach all den Jahren als Krankenschwester kann ich euch zeigen, wie es gemacht wird.« Sie hatte wieder eine frische Gesichtsfarbe, und ihre Augen funkelten im Lampenlicht. »Tens, schließ die Tür und hol Lampen.« Wortlos ging Tens hinaus.
    »Meridian, schau, ob Custos etwas trinken will. Sie hat ziemlich viel Blut verloren.«
    Ich kniete mich hin und erwiderte den vertrauensvollen Blick meiner neuen Freundin. Sie hob den Kopf und versuchte zu trinken, aber ich merkte ihr an, dass sie es nur mir zuliebe tat.
    »Später geben wir ihr Hühnerbrühe«, sagte meine Tante und bekam wieder einen heftigen Hustenanfall.
    Tens kehrte mit dem Verbandskasten zurück.
    »Hast du das Rasiermesser gefunden?«, fragte sie.
    »Ja.« Tens förderte ein Rasiermesser aus dem Kasten zutage.
    »Gut. Du, Meridian, nimmst eine große Nähnadel und Zwirn aus meinem Nähkorb.«
    Mir wurde flau im Magen. Mit dem Tod kam ich fast besser zurecht als mit Blut. »Du wirst doch nicht …«
    »Nein, mein Kind, aber du«, erwiderte sie mit Nachdruck.»Sterilisiere die Nadel im Feuer oder in Feuerwasser, es spielt keine Rolle.«
    Nachdem ich eine Nadel aus dem Korb gekramt hatte, hielt ich sie an ein Streichholz, um sie keimfrei zu machen. Währenddessen tauchte Tens den Zwirn in Alkohol.
    Mühsam setzte Tante Merry sich auf und rang nach Luft. »Wir müssen den Pfeil entfernen, ohne noch mehr Schaden anzurichten. Am besten schneiden wir die Haut rings herum ein Stück auf, damit wir ihn rauskriegen. Zum Glück steckt er direkt unter der Haut. Der Kerl ist anscheinend ein miserabler Schütze.«
    Während ich die Galle hinunterschlucken musste, schien Tens ungerührt.
    Die Tante hinderte ihn daran, den Mantel auszuziehen. »Lass den Ledermantel an. So bist du ein wenig geschützt, falls sie nicht verstehen sollte, dass wir ihr helfen wollen. Du hältst Custos den Kopf fest, und zwar mit aller Kraft, damit sie Meridian nicht beißt.«
    Das hieß, dass das Schneiden und Nähen an mir hängenbleiben würde. »Ich komme ja nicht einmal mit Steppdecken zurecht. Du hast selbst gesagt, dass ich kein Talent für Handarbeiten habe.«
    »Niemanden interessiert, ob diese Naht hässlich und schief ausfällt«, unterbrach sie mich. »Du musst es tun. Also los.«
    Mit zitternden Händen beugte ich mich über Custos. Im Zimmer waren nur das Knistern des Feuers und ihr keuchender Atem zu hören. Ich schloss die Augen und sprach ein rasches Gebet an irgendeinen Gott, der gerade zufällig die Ohren spitzte. Schließlich wollte ich Custos nicht weh tun.
    »Beruhige dich, Meridian. Je schneller du arbeitest, desto weniger Schmerzen wird sie haben. Du musst die Wunde mit Alkohol reinigen und dann zunähen.«
    Tens setzte sich und nahm Custos’ Kopf auf den Schoß. Dabei ließ er mich nicht aus den Augen. »Du schaffst es. Das bist du ihr schuldig.«
    Ich erinnerte mich daran, wie ich während des Marsches den Hügel hinauf eingeschlafen war, und an das angenehm warme Gefühl. Nur Custos’ Knurren hatte dafür gesorgt, dass ich mich wieder in Bewegung gesetzt und mich ins sichere Haus geflüchtet hatte. Tens hatte recht, ich verdanke ihr mein Leben. Selbst wenn ich miserabel nähte und mich wahrscheinlich selbst mit dem Rasiermesser schneiden würde. Also schluckte ich und versuchte, jede Arztserie, die ich je im Fernsehen gesehen hatte, auf meine Fingerspitzen zu übertragen.
    Custos rührte sich nicht und hielt nur den Atem an, wenn es heikel wurde. Die Haut einzuschneiden war einfacher als erwartet, weil der Pfeil flach daruntersteckte. Als ich die Wunde mit Alkohol betupfte, winselte sie, versuchte jedoch nicht, sich von mir oder Tens loszureißen.
    »Fast geschafft.« Tens nickte mir zu. »Du machst das prima.«
    Ich fädelte die Nadel ein, hielt die schartigen Wundränder zusammen, fixierte sie mit sieben Stichen, beschmierte das Ganze mit Antibiotikumsalbe und deckte es mit Gaze ab.
    »Moment, ich hebe sie hoch, damit du den Verband um sie herumwickeln kannst.« Als Tens sich über Custos beugte, streiften unsere Haare das Gesicht des anderen. Er rochnach Tannen- und Fichtennadeln und nassem Hund. Ich musste lächeln.
    »Fertig.« Ich ließ mich gegen die Beine des Sessels

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