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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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neuem. Eigentlich ist es ein wenig komplizierter, läuft aber mehr oder weniger darauf hinaus. Der Tod ist nicht das Ende, obwohl die Menschen das befürchten. Alles ist Aufgang, mein Kind.«
    Tens kehrte mit den Handtüchern zurück. »Ihr zwei seid ja schon ganz verschrumpelt.«
    »Das liegt am Alter, mein Lieber«, erwiderte Tante Merry kichernd. »Nicht am Wasser.«
    »Hey!«, protestierte ich.
    »Wir sollten aufbrechen, bevor die Sonne untergeht und die Straßen vereisen.«
    »Aufgeht«, sagte ich unwillkürlich.
    »Richtig.« Die Tante küsste mich auf die Wange und ließ sich von Tens aus dem Becken helfen.
    Ich spähte hinauf zum Himmel, versuchte, dasselbe zu sehen wie sie und den Frieden zu finden, den sie mit jedem Atemzug verströmte. Dann seufzte ich.
    »Kommst du, du Transuse?«
    »Für dich noch immer
Madame
Transuse!« Klatschnass kletterte ich aus dem Becken und rannte zum Auto, in der Hoffnung, dass mein Zähneklappern unter dem Einfluss der Heizung nachlassen würde, denn wegen der Temperaturen kühlte das Wasser auf der Haut rasch ab.
    Als wir den Hügel hinauffuhren, hing die Sonne schon tief über dem Horizont. »Warum ist es hier so hell? Haben wir etwa die Lichter angelassen?«
    »O nein.« Tante Merrys Worte schwebten in der Luft, während wir uns dem Haus näherten.

     
     
 
     
    Wer lange genug gelebt hat, erkennt, dass die Zeit nur ein Konstrukt ist, vom Menschen geschaffen, weil er den Tod fürchtet. Uhren und Armbanduhren sind die Götzen derer, die das Unvermeidliche leugnen. Wir gewinnen erst Macht, wenn wir begreifen, dass wir auf manche Dinge keinen Einfluss haben.
     
    Melynda Laine

Kapitel 25
     
     
    In unserem Vorgarten brannte ein riesiger, nach Benzin stinkender Pfeil. Die Veranda war mit roten und schwarzen Graffiti besprüht. Die Wörter und Sätze entstammten einer Sprache, die ich nicht kannte. Das Panoramafenster war zertrümmert.
    »Diese Arschlöcher!« Tens schlug mit der Hand aufs Lenkrad.
    »Immerhin ist uns nichts passiert. Das wird schon wieder«, meinte Tante Merry beschwichtigend.
    Ich glaubte ihr nicht so ganz. »Wo ist Custos?«
    »Ich habe sie im Haus gelassen.« Tens und ich stürmten die Stufen hinauf. Während Tens an den Schlüsseln herumnestelte, fühlte ich mich beobachtet. Als ich mich umdreh te, erkannte ich schwarze Gestalten, die im Wald verschwanden.
    Ich packte Tens am Arm. »Hast du das auch gesehen?«
    Sein Blick folgte meinem Finger. »Was?«
    »Ich dachte, da wäre jemand. Wahrscheinlich nur Einbildung.« Vielleicht waren es ja Hirsche gewesen.
    Custos empfing uns oben an der Treppe.
    »Braves Mädchen, braves Mädchen.« Ich schmiegte das Gesicht in ihr Fell.
    Die Tante, die uns gefolgt war, lächelte erleichtert. »Geht es ihr gut?«
    Tens lief hinaus, um den Pfeil zu löschen. Unterdessen fegte ich die Glassplitter zusammen und schürte den Kamin nach.
    »Tante, was bedeutet das Geschmier auf der Veranda? Weißt du, was das heißen soll?«
    Sie nickte. »Die Aternocti sprechen eine Sprache, die älter ist als Latein, das Aramäisch von Jesus Christus oder die Sprache der Druiden oder Sumerer.«
    »Oh.«
    »Ich beherrsche sie nur bruchstückhaft, aber die Wörter, die ich erkennen konnte, lassen sich mit ›beobachten und warten‹ übersetzen.«
    Ich erschauderte. Was sollten wir tun, wenn sie kamen? »Werden sie uns angreifen? Muss ich mich bewaffnen?«
    »Die Liebe ist unsere mächtigste Waffe. Vertraue deinem Herzen, Meridian. Hör auf dich selbst. Sie sind heimtückisch und suchen sich die Wankelmütigen und Verunsicherten als Opfer aus. Ohne die Hilfe eines Kriegerengels können wir nur wenig tun, um uns gegen sie zu verteidigen. Ich wünschte, ich wüsste, wie ich einen herbeirufen kann.«
    »Ja, wo kriegen wir einen von ihnen her?«
    Sie rang die Hände. Noch nie hatte ich sie so aufgebracht und verängstigt erlebt. »Man kann sie nicht einfach telefonisch herbeordern. Ich bin völlig ratlos.« Sie war den Tränen nahe.
    Ich umarmte sie. »Wir schaffen das schon.« Ich fragte mich, wie ich ihr helfen sollte, denn sie musste sich unbedingt be ruhigen.
    »Ich habe noch nie einen Aternoctus gesehen«, fuhr sie fort. »Und ich hoffe, das wird auch so bleiben. Wenn man die Unterstützung eines Kriegerengels braucht, ist die Welt aus dem Gleichgewicht geraten. Es sind Wesen, über die man nur hinter vorgehaltener Hand redet.«
    »Uns fällt sicher etwas ein, das verspreche ich dir.« Ich küsste sie auf die Stirn. »Custos, sitz«,

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