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Meridian

Titel: Meridian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Kizer
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habe Lust auf Schokoladenkuchen. Komm, ich bringe dir die Familienrezepte bei.« Tante Merry zog mich an der Hand hinter sich her.
    Tens schulterte einen gewaltigen Rucksack und öffnete die Hintertür. Auf seinen Pfiff erschien Custos und schlüpfte mit ihm hinaus. »Ich bin gleich wieder da.« Er zwinkerte mir zu, doch die Geste konnte mich nicht trösten.
    »Warum muss er weg?«, fragte ich.
    »Kannst du das oberste Regal erreichen, Kind? Dort bewahre ich nämlich mein ganz besonderes Kakaopulver auf. Was hältst du von Schokoladenkuchen? Und dann machen wir Makkaroni mit Käsesauce. Aus frischen Zutaten. Meine Großmutter kannte die besten Rezepte für Gerichte, die einem wieder auf die Beine helfen. Schreib mit. Du solltest sie auch kennen.«
    Sie stellte einen Radiosender ein, der Big-Band-Musik und alte verkratzte Aufnahmen von Sängerinnen aus den dreißiger und vierziger Jahren brachte. »Hör nur. Ella Fitzgerald. Gleich wird es dir bessergehen.«
    Gehorsam schrieb ich das Rezept für die Makkaroni mitKäsesauce auf. Mein Magen knurrte, als sich der Duft von Butter und Cheddar-Käse in der Küche ausbreitete. Ich hatte zwar Hunger, war aber gleichzeitig in großer Sorge. Nachdem wir die Auflaufform aus dem Backrohr geholt hatten, schoben wir den Kuchen hinein. Inzwischen war es draußen stockfinster. Ich zuckte bei jedem Geräusch zusammen und ging immer wieder ans Fenster, um Ausschau nach Tens und Custos zu halten.
    »Sind meine Eltern in Sicherheit?«, fragte ich.
    »So sicher, wie es geht.« Sie schürzte die Lippen.
    »Sicher vor mir?«, konnte ich mir nicht verkneifen.
    Erschrocken blickte sie auf. »Gütiger Himmel, nein, Kind. Vor den schrecklichen Aternocti. Warum, glaubst du, trennen wir die Fenestrae von ihren Familien? Das tun wir doch nicht, um sie zu quälen.«
    »Werde ich sie je wiedersehen?«
    »Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, kannst du sie besuchen.« Sie griff nach meiner Hand und umklammerte sie mit erstaunlicher Kraft. »Wir müssen die Menschen schützen, die wir lieben. Jeder, der sich in unserer Nähe aufhält, ist angreifbar und in Gefahr. Früher hatten wir Krieger und Wächter. Aber von denen gibt es nicht mehr viele. Du hast Tens. Er könnte sich zu einem Wächter entwickeln; das wird die Zeit zeigen. Es gibt keinen Schnelltest, um sein Schicksal vorauszusagen.«
    »Also darf ich nie eine Familie gründen?«
    »Doch, das
musst
du sogar. Allerdings wird sie jeden Tag ihres Lebens in Gefahr schweben. So ist es nun einmal, Meridian.«
    »Warum kann ich dann nicht jetzt gleich mit meinen Eltern zusammen sein?«
    »Solange du dich nicht verändert und deine Entscheidung getroffen hast, wirst du jeden um dich herum packen und auf die andere Seite drängen. Du weißt zwar inzwischen, wie man das Fenster öffnet, kannst es aber noch nicht schließen. Also musst du auf der Hut sein, sonst wirst du dich in lebendiger Energie verheddern.«
    »Ich werde jeden in meiner Umgebung töten?«
    »Nicht unmittelbar, mein Kind.« Tante Merry verteilte Nudeln, als hätte sie mir gerade eröffnet, dass es morgen regnen würde. »Du schaffst das schon. Und jetzt iss etwas von den besten Makkaroni mit Käsesauce der Welt.«
    Ich war nicht sicher, ob ich ihr glaubte, doch weil ihr so viel daran lag, dass ich mir weder Sorgen machte noch aufgelöst im Raum auf und ab lief, gab ich mir Mühe. Als ich den ersten Bissen in den Mund steckte, versank ich in einer Welt aus Sahne, Creme und Käse. »O mein Gott, ist das lecker«, schnurrte ich.
    »Ich weiß.« Sie kicherte wie ein Schulmädchen.
    Nachdem wir aufgegessen hatten, war der Kuchen abgekühlt, so dass wir ihn glasieren konnten. Tens war noch immer nicht zurück. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und genehmigte mir ein Stück Kuchen und ein großes Glas kalte Milch.
    »Na, meine Mom konnte kochen, oder nicht? Diese Rezepte stammen aus der Zeit vor meinem sechsten Geburtstag. Kannst du dir das vorstellen? Sie hat sie mit Bleistift auf die Rückseite von Katalogseiten geschrieben. Mein Daddy hat sie aufbewahrt und jede Köchin, die wir je beschäftigten, gebeten, sie einmal im Monat zuzubereiten. Meine Großmutter hat dafür gesorgt, dass ich sie auswendig lernte.«
    »Es schmeckt wirklich gut«, antwortete ich und versuchte, aus dem Fenster zu spähen, ohne dass sie es bemerkte.
    »Er kommt sicher bald wieder, Ehrenwort.« Sie tätschelte mir die Hand. »Leiste mir Gesellschaft, während ich diese Steppdecke fertignähe.«
    »Wessen Steppdecke

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