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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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jetzt gebrauchen konnte. Er schluckte ein paar Mal, nickte heftig und grimmig dazu, bekam die Stimme wieder in seine Gewalt: «Du fährst mich jetzt zu der Adresse. Du hast doch gesehen, wo Brandes das Dreckstück abgeholt und wieder hingebracht hat.»
Ohloff nickte andeutungsweise, flüsterte: «Ich sag dir, wo das ist, Hein. Du findest das bestimmt leicht. Ich glaub nicht, dass ich fahren kann.»
«Ob du kannst oder nicht», sagte Merkel, «du wirst müssen. Und du tust es nicht für mich. Du tust es für Irene. Du hast sie auf dem Gewissen, verstehst du? Wenn du feiger Hund nicht abgehauen wärst …» Den Rest ließ er offen, sagte stattdessen: «Ich hol mir das Weib. Aber das kann ich weder mit der Straßenbahn noch mit dem Fahrrad. Dazu brauche ich dein Auto.»
Ohloff nickte wieder, versuchte, halb freundlich, halb ängstlich zu lächeln. «Ist doch kein Problem, Hein. Natürlich kannst du das Auto haben. Ich bleib so lange hier, ist wirklich gar kein Problem.»
«Soll ich die Karre in die Stadt schieben?», fragte Merkel.
«Ich habe seit zwanzig Jahren nicht mehr hinter dem Steuer gesessen, du Idiot. Und jetzt habe ich auch noch den Arm kaputt! Was meinst du, wie weit ich komme?»
Aber es half alles nichts. Selbst mit wüsten Beschimpfungen und wilden Drohungen war Ohloff nicht in der Lage, den Kadett zu fahren. Er versuchte es, als Merkel ihm mit dem Dolch vor dem Gesicht herumfuchtelte, aber seine Hände waren noch viel zu steif. Nicht einmal den Schlüssel konnte er ins Zündschloss stecken. Der fiel ihm aus der Hand. Und das rechte Bein anheben, um es aufs Gaspedal zu setzen? Ohloff schrie auf, als Merkel dabei ein wenig nachhelfen wollte.
Nach vollen zehn Minuten, in denen Merkel zwischen Wut und Enttäuschung hin und her schwankte, entschied er:
«Also gut, dann lass mich mal auf deinen Platz. Rutsch rüber, wir werden ja sehen, was dabei rauskommt.»
Es dauerte, bis Ohloff unter viel Gestöhne auf den Nebensitz gerutscht war, dicke Schweißperlen auf Stirn und Oberlippe. Er lehnte den Kopf gegen die Seitenscheibe und murmelte: «Das tut so verdammt weh, Hein. Ich stell mich nicht an, wirklich nicht. Ich halt auch was aus, aber das nicht mehr lange. Mir ist so kalt.»
Merkel hörte, dass ihm die Zähne aufeinander schlugen.
«Kenn ich», sagte er, «habe ich auch oft mit zu kämpfen.» Er gab ihm noch eine von den Tabletten und drohte: «Schlaf bloß nicht ein.»
Dann schaltete er ein bisschen hin und her, um wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, ehe er den Zündschlüssel drehte, den Rückwärtsgang einlegte und den Kadett langsam aus der Halle rollen ließ. Es holperte und ruckte ein wenig, aber es war durchaus noch als Fahren zu bezeichnen.

37. Kapitel
    Gut eine Stunde lang kutschierte Merkel den alten Opel Kadett praktisch mit einer Hand über das Fabrikgelände, rangierte vor und zurück, hin und her, zwängte den Wagen in winzige Lücken und brachte ihn auch wieder heraus, obwohl er den linken Arm kaum gebrauchen konnte und das Auto keine Servolenkung hatte, aber die hatte es vor zwanzig Jahren in seinem eigenen Auto auch nicht gegeben.
    Ohloff neben ihm stöhnte hin und wieder verhalten und lobte zwischendurch: «Du machst das gut, Hein. Ehrlich, du machst das wirklich toll. Das merkt kein Mensch, dass du seit zwanzig Jahren nicht mehr gefahren bist. Meinst du, du kannst mich zu einem Arzt bringen, Hein? Wir sagen am besten, es war ein Unfall, was? Ich könnte doch mit dem Bein in eine Maschine gekommen sein.»
    Merkel antwortete ihm gar nicht, presste nur die Lippen aufeinander und lachte einmal kurz auf. Gegen elf lenkte er den Kadett vom Fabrikgelände auf die Straße. Er fuhr langsam, aber nicht zu langsam, um nicht aufzufallen. Ohloff dirigierte ihn mit schwacher Stimme durch die Stadt in eine der besseren Wohngegenden, flüsterte einmal: «Jetzt sind wir bald da.» Zeigte dann nach vorne: «Da ist es.»
    Es war ein Einfamilienhaus der gehobenen Preisklasse, gepflegter Vorgarten, ein Plattenweg zur Haustür, Platten in der Einfahrt zur Garage. Merkel ging davon aus, dass es sich um das Elternhaus der Frau handelte, fuhr noch ein paar Meter weiter, lenkte den Kadett an den Straßenrand und stellte den Motor ab.
    «Und jetzt?», fragte Ohloff.
    Es war ein ruhiges Wohnviertel. Den ganzen Tag hätten sie vermutlich nicht am Straßenrand stehen können, ohne aufzufallen. Trotzdem sagte Merkel: «Jetzt warten wir, bis das Weib auftaucht.»
    «Meinst du, ich kann noch ’ne Tablette nehmen,

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