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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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einer Kneipe, auch mal am Nachmittag. Er hatte ja jetzt mehr Zeit, war nicht mehr als Objektschützer tätig.
    Zwei Wochen nach der Beerdigung zog er aus dem möblierten Zimmer mit Dusche in die Dachgeschosswohnung mit Bad, die seine Tochter ihm zugedacht und für ihn eingerichtet hatte. Gemütlich war es geworden, sie hatte sich viel Mühe damit gegeben. Und wenn sie gewollt hatte, dass er dort lebte.
    Ein richtiges Bett hatte er nun, in dem er besser schlief als auf der Liege. Einen Fernseher hatte er auch, damit vertrieb er sich die langen Abende, konnte sich nicht so schnell umstellen vom Nachtdienst auf eine Arbeit, die tagsüber erledigt werden musste. Aber so viel war tagsüber auch nicht zu tun, und genau genommen hatte ein Hausmeister rund um die Uhr für die Leute da zu sein.
    Es konnte schon mal passieren, dass um elf Uhr abends noch jemand bei ihm klingelte und erleichtert war, ihn nicht aus dem Bett gescheucht zu haben. Die Familie mit den drei Kindern bat ihn dreimal um Hilfe, weil der alte Stänkerer, über den Irene sich immer wieder geärgert hatte, nun dazu übergegangen war, spätabends seine Stereoanlage auf volle Lautstärke zu drehen. Im Dachgeschoss hörte man es nur gedämpft, und wenn man ohnehin noch nicht schlief, störte es nicht. Aber die Kinder konnten dabei natürlich nicht schlafen. Nach dem dritten Mal war jedoch Ruhe, dafür sorgte Merkel.
    Nur sonntags war er für die Mieter nicht zu erreichen. Sonntags musste er zu Kurt und Agnes, jeden Sonntag, Agnes bestand darauf. Und meist stand sie schon bei der offenen Haustür, wenn er sein Rad abstellte. Am zweiten Sonntag im September hielt sie dabei zum ersten Mal seinen Enkel auf dem Arm und sagte: «Nun sieh mal, wer da kommt. Das ist der Opa. Willst du ihm nicht guten Tag sagen?»
    Es war eine theoretische Frage, reden konnte der Kleine von ein paar Silben abgesehen immer noch nicht viel.
«Papa», sagte er.
«Nein, Opa», korrigierte Agnes, «versuch’s mal, Opa.»
«Papa», wiederholte er und strahlte Merkel an wie einen, den er lange vermisst hatte, lachte übers ganze Gesicht und zeigte seine winzigen Zähne dabei. Merkel strich ihm im Vorbeigehen über die Wange. Eigentlich wollte er auch etwas sagen, aber er wusste nicht, was. Also ging er wortlos ins Wohnzimmer.
Agnes schloss die Haustür und folgte ihm. Sie war glücklich, das wusste Merkel. Das Jugendamt hatte keine Einwände erhoben, auch keine Schwierigkeiten wegen des Alters gemacht, die Pflegeerlaubnis sofort erteilt, weil die Eltern von Brandes sich außerstande sahen, den Jungen bei sich aufzunehmen. Wie sollten sie mit einem Kind umgehen, dessen Vater dafür gesorgt hatte, dass es die Mutter verlor? Sie fühlten sich immer noch für ihren Sohn zuständig. Das stand ja im Widerstreit.
Kurt saß schon am gedeckten Kaffeetisch, als Merkel ins Wohnzimmer kam. Kurt war zufrieden. Es nahm alles seinen gerechten Gang. Ohloffs Aussage hatte dazu geführt, dass Marina Zeiss doch noch ein Geständnis ablegte. Es schien, dass der verrückte Hund mit seinen Lügen der Wahrheit sehr nahe gekommen war. Die Anklage lautete auf vorsätzlichen Mord. Darauf stand lebenslänglich. Nach fünfzehn Jahren bestand die Möglichkeit einer Entlassung auf dem Gnadenweg. Doch darüber wollte Merkel nicht nachdenken. Später vielleicht. In fünfzehn Jahren wäre er Mitte siebzig. Wenn sie das Weib dann rausließen, hatte er wirklich nichts mehr zu verlieren.
Brandes war ebenfalls in Haft, bei ihm hieß es: Anstiftung zum Mord. Sie schoben sich gegenseitig den schwarzen Peter zu. Er behauptete, nicht gewusst zu haben, dass seine Freundin seine Frau umgebracht hatte. Marina Zeiss behauptete, er habe ihr in allen Einzelheiten erklärt, wie sie vorgehen müsse, welche Zeit günstig sei, zwischen zehn und zwölf am Vormittag, weil das Kind dann garantiert im Bett war und nicht die Gefahr bestand, dass einer von Irenes Sozialfällen auftauchte. Die kämen immer erst am Nachmittag, mit einer Ausnahme. So ein Idiot, der nicht lesen und nicht schreiben könne, würde sehr wahrscheinlich um die Mittagszeit auftauchen.
Von Ziriak gewusst hatte Brandes. Es schien jedoch nicht in ihrer Absicht gelegen zu haben, ihm den Mord in die Schuhe zu schieben. Sein Verhalten hatten sie schließlich nicht einkalkulieren können, wohl eher damit gerechnet, dass er sofort Alarm schlug, wenn er Irene fand.
Das alles hatte Kurt schon vor Wochen erklärt. Und Merkel hatte sich gefragt, was passiert wäre, wenn Ohloff die

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