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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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schnell aufgeben, das hätte er in ihrem Alter auch nicht getan. Sie war ihm wohl nicht nur äußerlich ähnlich. Nun gut, musste er ihr eben beim nächsten Mal erklären, dass er nichts dagegen hatte, wenn man sich ab und zu mal sah, ganz zwanglos wie unter Bekannten üblich. Aber nicht in der Kneipe, nicht montags, wenn Ohloff dabeistand. Vielleicht doch mal am Nachmittag, allerdings nicht wenn er dann Familie spielen musste. Vater, Tochter, Schwiegersohn. Ihr Mann war nun ganz und gar nicht seine Kragenweite. Es gab ja auch Cafes, in denen man sich mal für eine halbe Stunde zusammensetzen und vielleicht ein Stück Butterstreusel essen konnte. Er glaubte sich zu erinnern, sie hätte den früher auch gerne gemocht.
    Doch auch beim nächsten Mal brachte Merkel nichts von dem, was er ihr sagen wollte, über die Lippen, und beim übernächsten Mal ebenfalls nicht. Er kam einfach nie dazu, weil die meiste Zeit sie etwas erzählte.
    Nach dem ersten Abend trafen sie sich häufiger, immer nur in der Kneipe. Merkel war jeden Montagabend da, und sie kam, wie sie es einrichten konnte. Mal für eine Stunde, dann setzten sie sich an einen Tisch, mal nur auf einen Kaffee, dann blieben sie an der Theke stehen. Und dann stand Ohloff regelmäßig dabei, gab sich sanft wie ein Lamm, hilflos und unschuldig wie ein Neugeborenes und gab seinen Senf zu allem, was sie sagte.
    Ohloff fand schnell heraus, dass sie für jeden ein offenes Ohr hatte. Ein paar Mal war Merkel nahe daran, sie vor ihm zu warnen. Dass er gesessen hatte, erzählte Ohloff ihr selbst. Nach dem Grund fragte sie nicht. Es konnte gewiss nicht schaden, ihr diesen Grund etwas näher zu erläutern. Aber am Ende legte sie ihm das als väterliche Besorgnis aus. Merkel wollte keinen falschen Eindruck bei ihr erwecken. Sie war ja auch alt genug, um auf sich selbst zu achten. Außerdem hatte sie wahrscheinlich Erfahrung mit schrägen Vögeln, allein schon durch ihren Beruf.
    Manchmal erzählte sie von ihren Sozialfällen, begründete damit, dass sie sehr spät kam und nur noch Zeit für einen Kaffee hatte, aus dem dann aber doch zwei oder drei wurden. Sie nannte keine Namen, schilderte nur Schicksale, Situationen, Probleme. Manchmal hatte Merkel dabei das Gefühl, dass er für sie auch nur so ein Fall war, ihr kaum näher stand als Ohloff oder eins von den armen Schweinen, für die sie sich die Hacken krumm lief. Aber das störte ihn nicht, im Gegenteil, es schuf zwischen ihnen das, was ihm wichtig war, Distanz.
    Doch schon nach wenigen Wochen fragte er sich hin und wieder am Montagnachmittag, ob sie wohl heute Abend käme und ein bisschen Zeit mitbrachte. Wenn sie nicht kam, war es auch gut, er ertappte sich nur gelegentlich dabei, dass er die Tür nicht aus den Augen ließ, und jedes Mal, wenn sie aufging, so eine angenehme Erwartung fühlte – und einen Anflug von Enttäuschung, wenn nur irgendein anderer hereinkam.
    Er mochte sie, das konnte er nach drei Monaten freimütig bei Agnes gestehen. Es wäre auch schwer gewesen, sie nicht zu mögen, wenn man sie näher kannte. Sie war so ehrlich, so geradeheraus. Genauso drückte er es bei Agnes aus und warf die Frage auf, was einen Schönling wie Brandes dazu bewogen haben mochte, sich für eine Frau wie Irene zu entscheiden.
    Obwohl er seinen Schwiegersohn nur einmal für wenige Minuten auf dem Friedhof gesehen hatte, stand sein Urteil fest. Ein eitler Fatzke, eine hohle NUSS, teure Uhr am Arm, teures Auto unter dem Hintern, die dicke Brieftasche im Jackett und den Kopf vermutlich nur voller Zahlen. Aber Friedels Geld konnte das Herz des Herrn Bankkaufmanns nicht für Irene entflammt haben. Bei der Hochzeit hatte ja niemand damit rechnen können, dass der gute Friedel so früh das Zeitliche segnete und das auch noch in Begleitung seiner Angetrauten, die im anderen Fall ja erst einmal alles geerbt und vermutlich ziemlich schnell das meiste unter die Leute gebracht hätte.
    Kurt enthielt sich wie üblich eines Kommentars. Agnes dagegen wurde sehr wütend. «Manchmal bist du ein richtiges Ekel, Hein», fauchte sie ihn an. «Irene ist ein wundervoller Mensch. Gernot weiß genau, was er an ihr hat. Auf Geld ist er wahrhaftig nicht angewiesen, er verdient sehr gut. Sein Vater ist auch nicht gerade arm. Und ein hübsches Gesicht, guck sie dir doch an, die jungen Dinger, die sich einbilden, mit einer Nasenkorrektur und zwei Silikoneinlagen ihren Weg zu machen. Außer Silikon steckt da nichts drin. Es geht doch nicht nur nach

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