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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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sonst noch gab. Aber Immobilien waren sicher. In der Villa könnte man drei oder vier Familien unterbringen. Und zusätzlich vielleicht einen Mann, der auf die Sechzig zuging, in einem möblierten Zimmer hauste und von einer Woche zur anderen seinen Job als Objektschützer in einem Einkaufszentrum verlieren konnte.
    Was sollte dann aus ihm werden? Ein Sozialfall – oder ein Hausmeister. Statt repräsentativen Büroräumen für Gernot zwei Zimmer, Küche, Bad im Erdgeschoss der Villa. Ein bisschen Gartenarbeit, den Spielplatz in Ordnung halten, den sie anlegen wollte, mal eine Glühbirne im Treppenhaus auswechseln oder einen verstopften Abfluss reinigen. Das könnte er auch mit siebzig noch.
    «Das vergisst du am besten wieder», sagte Agnes, als Irene ihr diese Pläne unterbreitete in der Hoffnung, dass Agnes sie dabei unterstützte, ihm die Sache schmackhaft zu machen. «Hein wird niemals einen Fuß über die Schwelle dieses Hauses setzen. Da würde ihn jeder Stein an Heike erinnern.»
    Das befürchtete Irene auch. Aber sie hatte ja noch einen Schwiegervater. Und wozu waren Immobilienmakler gut? Gernots Vater meinte, es sei eine Schande, die schöne Villa in ein Mehrfamilienhaus zu verwandeln. Selbst dort einzuziehen und freiberuflich tätig zu werden, wie es seinem Sohn vorschwebte, hielt er allerdings auch für keine gute Idee. Was die Villa an Grundsteuer und Unterhalt verschlang, musste erst mal verdient werden. Und ein Bankkaufmann im Angestelltenverhältnis stand finanziell doch etwas schlechter da als ein erfolgreicher Anwalt. Jetzt hatte Gernot einen gut bezahlten und sicheren Job. Den aufzugeben, um an der Börse zu spekulieren, das könne böse ins Auge gehen, sagte sein Vater. Er wäre nicht der Erste, der alles verloren hätte.
    Wenn Irene gerne ein Mietshaus haben wollte, ihr Schwiegervater hatte gerade eins an der Hand, Anfang der sechziger Jahre gebaut, mit acht Parteien, langjährige Mieter, man musste vielleicht ein wenig sanieren, Isolierverglasung, neue Heizanlage, neues Dach und neue Fassade. Das alles ließe sich bequem mit Friedels Vermögen bezahlen. Wenn man dann die Villa verkaufte, so wie sie war, holte man das Geld wieder rein, konnte ein Einfamilienhaus kaufen und auch mit einem kleinen Teil an der Börse spekulieren. So wäre jeder zu seinem Recht gekommen.
    Agnes sah das genauso. Sie meinte sogar, wenn das Mietshaus ohnehin ein neues Dach brauche, könne man bei der Gelegenheit den Dachboden ausbauen und zusätzlichen Wohnraum schaffen. Dann musste man Merkel nur noch davon überzeugen, dass er nichts geschenkt bekam und keine familiären Verpflichtungen einging.

8. Kapitel
    So wurden die Gespräche in der Kneipe allmählich doch etwas persönlicher. Nicht wenn Ohloff dabeistand, der hätte sich wahrscheinlich sofort um den Posten als Hausmeister beworben und eine Dachgeschosswohnung mit Kusshand genommen. Aber wenn sie allein am Tisch saßen, schwärmte sie Merkel von ihren soliden Kapitalanlagen vor, ließ auch ein paar Sorgen einfließen, Hausverwaltung und so weiter. Da müsse man einen zuverlässigen Mann haben.
    Merkel kannte keinen zuverlässigen Mann, er kannte ja insgesamt nicht viele Leute und vertrauenswürdige schon gar nicht. Dass sie auf ihn abzielte, der Gedanke wäre ihm nie gekommen. Er war auch sicher, dass sie rasch den richtigen Mann für die Stelle finden würde. Sie war eine tüchtige, selbstbewusste junge Frau. Und wie sie mit Leuten umgehen konnte.
    Mit allen kam sie wunderbar zurecht, sogar mit Ohloff. Dass der sie anhimmelte, so einen Schlafzimmerblick in die Augen bekam und schon nach Kaffee brüllte, wenn sie nur bei der Kneipentür auftauchte, nahm sie gelassen zur Kenntnis. Sie war immer gleich bleibend freundlich, und wenn sie mit Ohloff an der Theke blieben, erinnerte sie spätestens nach dem dritten Kaffee daran, dass sie nicht zu haben war:
    «Jetzt muss ich aber los, mein Mann wartet bestimmt schon auf mich.»
    Sie trank viel zu viel Kaffee, Merkel fragte sich manchmal, wie sie mit all dem Zeug im Leib überhaupt noch schlafen konnte. «Ausgezeichnet, Papa», sagte sie, als er das einmal aussprach, «mach dir um meinen Schlaf nur keine Sorgen.»
    Das tat er nicht, weder um ihren Schlaf noch um sonst etwas. Nur ein paar Gedanken machte er sich hin und wieder. Als es auf Weihnachten zuging, wurden es ein paar Gedanken mehr. Ihm grauste davor, sie könne plötzlich auf die Idee verfallen, ihm ein paar besinnliche Feiertage im engsten Familienkreis

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