Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
Vom Netzwerk:
jünger.»
    Sie schaute über seine Schulter in den Dreck, der einmal eine asphaltierte Straße werden sollte: «Wir haben manchmal gegensätzliche Ansichten von den Dingen, die im Leben wichtig sind. Normalerweise wechseln wir uns ab, einmal bekommt er seinen Willen und einmal ich. Jetzt habe ich mich zweimal hintereinander durchgesetzt und auch noch deutlich zu verstehen gegeben, dass ich am längeren Hebel saß. Es war mein Geld, und es war mein Bauch. Er wird sich damit abfinden. Wenn der Kleine erst mal da ist, wird Gernot sicher ein wundervoller …»
    Ganz plötzlich brach sie ab und richtete den Blick zu Boden, als hätte sie sich bei etwas Verbotenem ertappt. In dem Moment tat sie Merkel Leid. Er hatte das Gefühl, er sollte etwas Tröstliches sagen. Vielleicht: «Da bin ich ganz deiner Meinung, es können ja nicht alle so sein wie ich.» Aber er nickte nur kurz, hielt ihr die Hand hin und fragte: «Sehen wir uns morgen?»
    «Natürlich, Papa», sagte sie und lächelte schon wieder. Dann schaute sie ihm nach, wie er zu seinem Fahrrad
    ging. Er schob es bis zur Straßenecke. Dort blieb er noch einmal stehen und drehte sich um. Sie stand immer noch bei der Tür, hob die Hand und winkte ihm zu. Unförmig wirkte sie mit ihrem prallen Leib. Der Wind blies ihr ein paar Strähnen des blonden, viel zu dünnen Haares ins Gesicht. Sie wischte sie mit einer Hand weg und winkte ihm mit der anderen zu. Dieses Bild prägte sich ihm ein – wie der nackte Hintern eines arbeitslosen Elektrikers. Der Hintern war verblasst in den letzten Jahren, ihren Anblick da bei der Tür wurde er nie wieder los.

9. Kapitel
    Was er angerichtet hatte mit seinem Besuch, erfuhr Merkel erst sehr viel später. Bis zu dem Sonntagnachmittag hatte Gernot Brandes nichts von Irenes Kneipentouren, wie er es später nannte, gewusst. Nun ließen sich die Montagabende nicht länger verheimlichen. Irgendwie musste sie die Anwesenheit ihres Vaters ja erklären, vor allem klarstellen, dass er nicht gekommen war, um bei ihr ein paar Mark locker zu machen.
    Zuerst war Gernot außer sich, weil sie ein Geheimnis um ihren regelmäßigen Kontakt gemacht hatte. Dann vermutete er, sie habe noch mehr Geheimnisse. Was war denn mit der immer noch unvermieteten, aber inzwischen komplett möblierten Wohnung im Dachgeschoss ihres Mietshauses? Sein Vater hatte schon ein paar Interessenten dafür gehabt. Jedes Mal hatte sie abgelehnt ohne Begründung. Nun vermutete Gernot, sie brauche die Wohnung für sich, vielleicht als kleines Liebesnest? Wer garantierte ihm denn, dass sie in dieser Kneipe nur ihren Vater traf? Da verkehrten doch auch andere. Und sie war ja nicht nur montags unterwegs. Vielleicht war sie genauso veranlagt wie ihre Mutter, brauchte hin und wieder einen Proleten im Bett.
    Sie hielt sich nicht lange auf mit Treueschwüren, sagte stattdessen: «Vielleicht solltest du für ein paar Wochen in die Wohnung einziehen, dann habe ich hier sturmfreie Bude. Proleten machen sich nichts daraus, mal mit dem Auto durch den Dreck zu fahren. Du kannst zurückkommen, wenn die Straße asphaltiert ist, dann musst du nicht mehr dreimal die Woche in eine Waschanlage. Du kannst natürlich auch dort bleiben, bis das Baby nachts durchschläft. Bis dahin hast du Zeit genug, mal gründlich über alles nachzudenken.»
    Gernot ging tatsächlich, zuerst hinauf ins Schlafzimmer, wo er ein paar Sachen in einen Koffer warf, dann zum Auto. Er fuhr nicht zu ihrem Mietshaus, sondern zu seinen Eltern. Seine Mutter meldete sich am nächsten Morgen und hielt ihr einen Vortrag. Ihr sei wohl die Erbschaft zu Kopf gestiegen. Was ihr denn in den Sinn käme, ihren Mann so einfach auf die Straße zu setzen. Da sollte man fast annehmen, sie habe tatsächlich einen Liebhaber. Wenn sie Kontakt zu ihrem Vater pflegen wolle, dafür habe man Verständnis, aber doch nicht hinter Gernots Rücken. Sie habe ihn sehr verletzt mit ihrer Geheimniskrämerei und ihrem Verhalten.
    Sie war nicht weniger verletzt und in Sorge, dass ihr Mann mit seinem Verhalten in einer Viertelstunde die Mühe von langen Monaten zunichte gemacht hatte. Bis zur Geburt ihres Kindes fuhr sie noch zweimal montags zu der Kneipe, trank ihren Kaffee mit Merkel und Ohloff, erwähnte die hässliche Szene mit keinem Wort, erzählte nur von der neuen Nachbarschaft und der nächtlichen Ruhe in der Gartenstadt, wie sie das Neubauviertel nannte, weil die Straßennamen nach einem Blumenbeet klangen. Ihr Haus stand am Rosenweg, wo erst drei

Weitere Kostenlose Bücher