Merkels Tochter. Sonderausgabe.
richtiges Badezimmer mit einer Wanne. Ohloff hatte alles, was das Herz begehrte, nur keine Kontrolle über sich.
Merkel drückte mehrfach auf die Klingel mit Ohloffs Namen, wartete minutenlang. Nichts passierte. Dann war er wohl doch nicht zu Hause, saß vielleicht in irgendeiner anderen Kneipe. Nachdem Merkel die erste Enttäuschung überwunden hatte, störte es ihn überhaupt nicht mehr. Er hatte Zeit, notfalls die ganze Nacht und auch noch den halben Dienstag. Es reichte völlig, wenn er um die Mittagszeit wieder heimfuhr, noch ein paar Stunden schlief. Dann zum Dienst, vorher natürlich den Hund abholen. Und am Mittwoch wieder hierher kommen.
Nach ein paar Minuten ging er zur anderen Straßenseite hinüber. Es erschien ihm sicherer, nicht direkt vor der Haustür zu stehen, wenn Ohloff heimkam. Wenn er ihn zu früh entdeckte und sich verkrümelte, war nichts gewonnen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite standen ein paar Blumenkübel auf dem Gehweg. Da konnte er sich auf den Rand eines Kübels setzen, musste nicht die ganze Zeit stehen.
Es wurde eine lange Nacht. Zuerst war noch Betrieb auf der Straße. Autos, Passanten, es gab auch noch viele erleuchtete Fenster. Merkel konzentrierte sich auf den Hauseingang, davor waren zwei Parklücken frei. Jedem Scheinwerferpaar starrte er entgegen. Fühlte jedes Mal den Puls schneller werden, konnte nur mühsam durchatmen und fiel jedes Mal ein bisschen in sich zusammen, wenn das Auto vorbeifuhr.
Er wusste nicht viel über Ohloffs Gewohnheiten, eigentlich nur, dass er regelmäßig in seine Stammkneipe kam. Den Sonntag ausgenommen, da war die Kneipe geschlossen. Ruhetag. Aber sonst jeden Abend, obwohl er dafür quer durch die Stadt fahren musste. Und am Dienstag zuletzt. Hatte wohl am Mittwochabend keine Nerven gehabt, sich so zu benehmen wie immer.
Nach Mitternacht wurde es still in der Straße. Die meisten Fenster waren längst dunkel, nur noch selten fuhr ein Auto vorbei, noch zweimal kam ein Nachtschwärmer. Einer ging mit festen Schritten, der andere torkelte auf einen Hauseingang zu. Nach eins war die Gegend wie ausgestorben.
Merkel fror wieder entsetzlich, dabei war es überhaupt nicht kalt, nicht einmal kühl. Vielleicht kam die Kälte immer noch aus ihm selbst. Allein die Vorstellung! Diese Drückerin, irgendeine gesichtslose junge Frau sitzt mit Irene in der Küche, als Ohloff durch den Garten hereinkommt. Gut möglich, dass sie ihn gesehen hatte. Oder seinen Kadett, wenn sie noch zu den beiden letzten bewohnten Häusern gegangen war und er davor geparkt hatte. Vielleicht erinnerte sie sich an das Kennzeichen, manchmal geschahen solche Wunder. Kurt wollte alles tun, um die Frau aufzuspüren. Er hatte diesen mächtigen Apparat zur Verfügung.
Im Grunde hatte Merkel keine Chance und wusste das auch. Er hatte nur diesen winzigen Vorsprung, aber der war unter Umständen schnell aufgezehrt. Kurt würde vermutlich nicht lange brauchen, in Erfahrung zu bringen, welche Drückerkolonne am vergangenen Mittwoch die Gartenstadt aufgesucht hatte. Und wenn er das erst wusste, hatte er auch die Frau. Die Zeit lief gegen Merkel. Und er hatte nicht mal ein Messer bei sich.
Eine schlimme Nacht, richtig tot. Die Totenstille zerrte an seinen Nerven, dabei hatte er es sonst gerne ruhig. Er hätte sich etwas zu lesen mitnehmen sollen, drei oder vier von den Briefen aus dem Schuhkarton, um in Stimmung zu bleiben.
«Lieber Papa, heute habe ich mich lange mit Herrn Tommes über dich unterhalten.»
Wer, zum Teufel, war Herr Tommes gewesen? Ein Lehrer? Oder der Gärtner, den der gute Friedel beschäftigt hatte? Er wusste wirklich so gut wie nichts von ihr und hatte nicht mehr die Chance, mehr zu erfahren.
Fast war er erleichtert, als die Gegend um fünf Uhr allmählich wieder lebendig wurde und er sich seine Aufgabe vor Augen halten konnte, diese letzte Verpflichtung, die seinem verpfuschten Leben am Ende doch noch einen Sinn geben sollte. Danach konnten sie ihn getrost wieder lebendig begraben.
Vereinzelt gingen Lichter hinter den Fenstern an. Er war ganz steif vom langen Sitzen auf dem Blumenkübel. Um halb sechs wurde der Hauseingang gegenüber geöffnet. Ein Mann trat ins Freie, zog die Tür hinter sich ins Schloss und ging zu einem Auto am Straßenrand. Etwas später kam der Zeitungsbote, bestückte nur zwei der Briefkastenschlitze neben der Haustür, ging weiter zum nächsten Haus und steckte dort immerhin drei Zeitungen ein.
Kurz vor sechs erschien eine ältere Frau mit lässig
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