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Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Merkels Tochter. Sonderausgabe.

Titel: Merkels Tochter. Sonderausgabe. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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übergeworfenem Morgenrock und platt gelegener Dauerwelle an der Haustür. Sie nahm ihre Zeitung aus dem Kasten. Merkel erhob sich vom Rand des Blumenkübels, streckte sich, dehnte die Muskeln und lief quer über die Straße auf das Haus zu. Die Frau hatte die Tür nicht hinter sich zugedrückt. Die war langsam zurückgeschwungen und jetzt nur angelehnt. Er konnte ungehindert ins Haus und stieg gleich in den dritten Stock hinauf.
So war es entschieden besser. Jetzt sah Ohloff ihn nicht, wenn er heimkam, bemerkte ihn erst, wenn er um die letzte Biegung der Treppe kam. Und dann hing alles davon ab, dass Merkel die richtigen Worte fand. «Ich musste herkommen, Ohloff. Ich muss mal mit einem Menschen reden, der sie gut gekannt hat. Hast du noch nichts davon gehört? Irene ist tot.» Genau so. So war es gut. Und dann fragen: «Können wir ein Stück rausfahren. Irgendwo ins Grüne, ich muss mal was anderes sehen.»
In einer Ecke stehend, sich müde gegen die Wand lehnend, wartete er weitere vier Stunden. Zwischen sieben und acht kamen zwei Männer und drei Kinder aus dem vierten Stock herunter, gingen an ihm vorbei, beäugten ihn misstrauisch, stiegen jedoch die Treppen hinunter, ohne sich weiter um ihn zu kümmern.
Um zehn kam Ohloffs Nachbarin aus ihrer Wohnung. Sie mochte Ende vierzig, Anfang fünfzig sein, machte einen adretten Eindruck, hielt ein zusammengerolltes Einkaufsnetz in der Hand, lächelte und grüßte mit einem Kopfnicken. Sie war bereits an ihm vorbeigegangen und einige Stufen hinuntergestiegen, als sie sich noch einmal umdrehte und fragte. «Wollen Sie zu Herrn Ohloff?»
Er nickte.
«Er ist nicht da», sagte die Frau. «Gestern war schon jemand hier und hat nach ihm gefragt. Bestimmt ist er verreist. Ich habe ihn seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen.»
«Wann zuletzt?», fragte Merkel.
Die Frau legte den Kopf ein wenig zur Seite, dachte nach.
«Letzten Mittwoch, auch so um die Zeit.» Sie lächelte verlegen, als sei etwas Peinliches an ihren nächsten Sätzen. «Ich mache immer um zehn meine Einkäufe, da sind die Läden nicht so voll. Herr Ohloff kam gerade ins Haus, als ich rausging. Er sagte, wenn ich einen Moment warte, könne er mich ein Stück mitnehmen. Er wollte nur rasch etwas aus seiner Wohnung holen, glaube ich. Und er ist ja immer sehr freundlich und hilfsbereit.»
«Ja», sagte Merkel, «das ist er. Und Sie wissen nicht zufällig, wer gestern nach ihm gefragt hat?»
Die Frau hob die Schultern. «Ich nehme an, es war ein Kollege von ihm. Er bat mich, Herrn Ohloff auszurichten, er solle sich im Personalbüro melden, da wäre noch etwas zu unterschreiben.»
Merkel fühlte sich ein bisschen erleichtert. Er hatte befürchtet, Kurts Männer wären ihm zuvorgekommen. Nun beruhigte er sich wieder, sagte sich, dass Heinen und die anderen jetzt auch nicht mehr ausrichten konnten. Selbst wenn sie die Drückerin auftrieben, eine gute Beschreibung bekamen oder sogar ein Autokennzeichen, half ihnen das nicht weiter. Offenbar war Ohloff untergetaucht. Und das war praktisch ein Geständnis.

30. Kapitel
    Merkel verließ das Haus zusammen mit der Frau. Er war übermüdet, auch ein bisschen hungrig, ging zur Straßenbahnhaltestelle und fuhr erst einmal heim. Eine Scheibe Brot mit Käse, zwei Stunden Schlaf, dann saß er bereits wieder aufrecht im Bett. Wenn Ohloff nun in der Zwischenzeit zurückgekommen war! Das war kaum anzunehmen. Ohloff hatte ein Auto, der Sauhund war garantiert längst über alle Berge. Vielleicht ins Ausland geflohen. Oder bei seiner Mutter untergekrochen.
    Merkel wusste nicht, wo Ohloffs Mutter lebte und ob sie noch Kontakt hatten. Er hatte doch nie richtig zugehört, wenn Ohloff erzählte. Ihm fiel nur ein, was Irene über die vernarbten Handflächen gesagt hatte. Und ihm hatte Ohloff weisgemacht, da hätte ihm ein Trottel während der Arbeit irgendein ätzendes Zeug über die Hände gekippt. Der log, wenn er nur den Mund aufmachte.
    Er nahm eine Dusche, um die Müdigkeit aus den Knochen zu treiben. Dann machte er sich eine Suppe heiß. Die Mühe, im einzigen Schubfach seiner Miniküche nach einem geeigneten Messer zu suchen, machte er sich erst gar nicht. Er besaß keins, das scharf genug gewesen wäre.
    Nachdem er gegessen hatte, verließ er sein Zimmer wieder, nahm auch diesmal die Straßenbahn, fuhr in die Innenstadt und ging in eines der großen Kaufhäuser. Viel Zeit hatte er nicht mehr, und in der Haushaltswarenabteilung gab es alle möglichen Sorten von Messern, nur nicht

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