Merkels Tochter. Sonderausgabe.
sagte Merkel.
«Von dem Sekt nur ein Glas», erklärte der Wirt, füllte das dritte Bierglas und bediente die würfelnden Männer. «Aber mindestens drei Liter Kaffee. Meine Frau kam mit dem Aufbrühen gar nicht so schnell nach. Er hätte ’ne lange Nacht vor sich, sagte er, musste wahrscheinlich viel fahren. Er hätte jemandem einen Gefallen versprochen. Und was den Kaffee angeht, da musste er sich jetzt dran gewöhnen, in Zukunft gab’s vielleicht nur noch Kaffee. Weil’s nämlich Leute gäbe, die ohne das Zeug nicht leben könnten. Und weil’s durchaus möglich ist, dass diese Leute noch mehr von ihm wollen als nur den einen Gefallen.»
Es war, als würde Merkel die Messerklinge in den Rücken gestoßen. Sein Herz – oder was davon noch übrig war – traf sie schon mit dem ersten Stich. Es schnitt ihm so unvermittelt die Luft ab, dass er zu ersticken glaubte. Ohloff! Feierte die Scheidung! Da musste er etwas gründlich missverstanden haben. Hatte sich Hoffnungen gemacht, völlig unberechtigte Hoffnungen. Vermutlich hatte er gedacht, jetzt habe er ausgesorgt für die Zukunft.
Arm war sie ja wirklich nicht gewesen mit dem schönen Haus am Rosenweg, mit Friedels Palast und dem Mietshaus, von dem sie bequem leben konnte. Eine verlockende Partie für einen wie Ohloff. Und als er begreifen musste, dass es ihr nicht ernst war mit ihm, dass sie immer noch die Hemden ihres Mannes wusch und von ihm nicht mehr wollte als ein bisschen Liebe. Ein Schlag auf den Kopf mit einem Hammer!
Großer Gott, der Hammer! Darauf hätte er viel eher kommen müssen. Ohloff war doch immer auf irgendwelchen Baustellen beschäftigt und sackte dort ein, was nicht niet- und nagelfest war, mit Vorliebe neue Sachen, die er für ein paar Mark verscherbeln konnte. Und siebzehnmal mit einem billigen Messer, achtmal auf den Knochen abgerutscht. Kein Stich tiefer als fünf Zentimeter.
Es gab auch Männer, die nicht richtig zustechen konnten. Er wusste das, hatte nur seit ewigen Zeiten nicht mehr daran gedacht. Vor Jahren, als sie Ohloff in seine Zelle legten, hatte er einmal erzählt, wie das gewesen war mit der jungen Frau, die er nach einem netten Abend so übel zugerichtet hatte, dass sie wochenlang in einer Klinik liegen musste, obwohl keine ihrer Verletzungen lebensbedrohlich gewesen war. Die Frau hatte nur ausgesehen, als ob sie in eine Hackmaschine geraten wäre.
«Ich hatte eine Stinkwut im Bauch», hatte Ohloff damals gesagt, «weil sie den ganzen Abend über so getan hatte, als wäre ich genau ihr Typ. Ließ sich das Essen bezahlen und noch ein paar Cocktails. Und dann wollte sie mich abservieren. Da bin ich ausgerastet. Vor Gericht hab ich natürlich gesagt, ich könne mich nicht erinnern, wie das im Einzelnen gewesen war. Aber ich wusste es noch ganz genau, nie im Leben werde ich das vergessen. Ich wollte sie abstechen, Hein, dir kann ich’s ja sagen. Und du glaubst nicht, wie schwer das ist. Da sind überall Knochen, da rutscht das Messer ab. Das ist, als ob dir plötzlich einer gegen die Hand schlägt.»
Siebzehn Stiche, ganz langsam verblutet. Wie musste sie gefroren haben in ihren letzten Minuten, viel schlimmer als er auf der Flucht aus Ostpreußen. «Hast du kalte Füße, Papa?», fragte sie in seinem Hinterkopf. Ja, er hatte entsetzlich kalte Füße. Und so kalte Hände. Und nichts in den Jackentaschen, um wenigstens die Hände zu wärmen. Eine Pistole wäre gut gewesen. Abdrücken, bis das Magazin leer war.
Ohloff! Und er hatte sie mit ihm bekannt gemacht. Das war nicht ganz richtig, sie hatte sich selbst mit ihm bekannt gemacht, sich einfach dazwischen gedrängt, genau hier an der Theke. Aber was spielte das noch für eine Rolle? Wäre er nicht gewesen, hätte sie Ohloff nie getroffen. Hätte sie ihn nicht geliebt, wäre sie noch am Leben. Es flimmerte ihm vor den Augen. «Lieber Papa, ich bin so froh, dass du noch lebst …» Und sie war tot. Mit Ziriak und der Bodewig hatte er nichts zu schaffen gehabt. Aber Ohloff!
«Ist dir nicht gut, Hein?», fragte der Wirt.
«Ich hab’s seit ein paar Tagen mit dem Magen», antwortete er. «Vielleicht hätte ich das kalte Bier aus dem Leib lassen sollen. Gib mir noch einen Underberg, dann geh ich nach Hause und hau mich aufs Ohr.»
«Das würde ich an deiner Stelle bleiben lassen», machte der Wirt einen dünnen Scherz. «Leg dich lieber ins Bett. Wenn du dich aufs Ohr haust, ist es morgen ganz dick und rot.»
Merkel wäre ihm am liebsten an die Kehle gegangen dafür, aber er grinste
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