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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Nase hielt die Klinge fest. Ich zerrte und drehte
     – ohne Erfolg. Ich hörte Hallia schreien. Im selben Moment wurde der Himmel über mir fast ganz dunkel. Der Geruch schweißiger
     Hände verdrängte den Sumpfgestank. Im nächsten Augenblick würden sich mächtige Finger um mich schließen und die Luft aus meinen
     Lungen, das Leben aus meinem Körper pressen.
    Plötzlich warf mich ein Ausbruch, so heftig wie der eines Vulkans, hoch in die Luft. Meine Ohren platzten fast von dem gleichzeitigen
     Getöse. Ich schlug mit Armen und Beinen um mich und war mir, während ich hilflos fiel, nur meines Sturzes bewusst – und des
     schleimigen, graugrünen Schmutzes, der mir über Gesicht und Brust rann.
    Denn Shim, das war mir klar, hatte geniest.
    Ich schlug auf den Boden, rollte weiter, prallte auf und kam endlich zum Halten. Obwohl sich alles um michdrehte, setzte ich mich auf und wischte mir übers Gesicht. Ich sah, wie sich weit oben am Hang die Riesen um Shim drängten,
     ihn schüttelten und tätschelten. Ich lächelte – und hoffte, dass er bald wieder stark genug war, um zu gehen. Und dass seine
     Nase endlich wieder frei war.
    Ein wunderschönes Damtier sprang über das Gras auf mich zu. Es näherte sich einem Stein und sprang mit angezogenen muskulösen
     Beinen himmelwärts. Während es anmutig über das Hindernis segelte, verharrte es einen einzigen, magischen Herzschlag lang
     völlig reglos. Als es endlich landete, schien sich der Boden seinen Hufen entgegenzuheben. Und als es die letzten paar Längen
     zu mir lief, spürte ich im Gesicht den Luftzug, in den Beinen das Hämmern auf der Erde. Denn ich erinnerte mich schmerzhaft
     deutlich an die Freiheit beim Laufen wie ein Hirsch.
    Ich dehnte die steifen Schultern und dachte an die Legende, die mir zuerst Cairpré erzählt hatte: dass vor langer Zeit alle
     Männer und Frauen in Fincayra fliegen konnten. Alle hatten Flügel, behauptete er, Flügel, die hoch geschätzt waren, bevor
     sie für immer verloren gingen. Viele Male hatte ich mir gewünscht, dass auch ich fliegen könnte. Doch als ich jetzt beobachtete,
     wie Hallia den Hang herunterlief und mir mit jedem Satz näher kam, wusste ich, dass ich lieber auf ganz andere Weise über
     den Boden fliegen wollte. Mit ihr an meiner Seite.
    Ich sah, wie das Damtier langsamer wurde. Zugleich richtete es sich auf, hob den Kopf und verwandelte sich in eine junge Frau.
     Rasch schritt sie auf mich zu. Als sie sah, dass ich unverletzt (und mit Sumpfschlamm bedeckt) war, grinste sie.
    »Mit Riesen gehst du wirklich ungewöhnlich um, junger Falke.«
    »Nur wenn ihre Nasen verstopft sind.« Mühsam kam ich auf die Füße und schaffte es, trotz des Schmutzes, der an meinen Stiefeln
     klebte, aus dem Dreck herauszutreten. Aber abgesehen von ein paar Prellungen und einer aufgeschürften Hüfte spürte ich keine
     Verletzungen. Mein Stock hing immer noch an meinem Gürtel und war ebenfalls unversehrt. Genau wie der Ballymag – dessen gedämpftes
     Toben und Heulen in der Schlinge mir sagte, dass er wieder zu sich gekommen war. Und dass ihm offenbar nichts fehlte.
    Hallias Grinsen schwand. »Bitte, lass uns ins Sommerland zurückkehren. Zu meinem Volk und auch zu meiner lieben Gwynnia. Sie
     wird inzwischen außer sich sein.«
    Statt zu antworten schaute ich auf das dampfende Moor, das sich bis zum Horizont erstreckte.
    Hallia las meine Gedanken. »Vielleicht findest du eine Möglichkeit zu helfen – aber später, wenn du mehr weißt. Die Ältesten
     meines Volkes können dir möglicherweise ein paar nützliche Dinge über das Moor erzählen. Und da ist auch noch Cairpré. Bestimmt
     kann er dir raten.«
    Immer noch mit Blick auf den Sumpf nickte ich leicht. »Das könnte er, das stimmt.«
    »Außerdem, junger Falke, kannst du einfach nicht dort hinein. Niemand geht dort hinein.«
    Langsam drehte ich mich nach ihr um. »Warum zieht es mich dann so dorthin? Obwohl es mich abstößt – und ich die Gefahren fürchte,
     die es birgt?«
    Sie seufzte. »Ich weiß es nicht. Aber solltest du nicht die Antwort darauf suchen, bevor du weitergehst?«
    »Ich habe gesucht, glaub mir, aber alles ist verschwommen.« Ich kaute an meiner Lippe. »Ein richtiger Zauberer würde die Dinge
     sicher klarer sehen.«
    Sie kam näher und fasste den schlammigen Ärmel meiner Tunika. »Ein richtiger Zauberer würde wissen, was er tun kann – und
     was nicht.«
    »Ich nehme an . . .« Ich zögerte und presste die Kiefer zusammen. »Ich nehme

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