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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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viel wie möglich mit dem Griff meines
     Stocks ab.
    Wortlos halfen wir einander auf die Füße und zogen wieder los, diesmal um den Tümpel herum. Das letzte Licht schwand rasch,
     während die Moorgeräusche rundum anschwollen. Nebel kreiste und öffnete sich zu dunklen Mäulern mit rutschenden Zähnen und
     dunstigen Zungen. Tote Äste verfingen sich in unserer Kleidung und zerkratzten unsere Schienbeine. Doch solche Hindernisse
     kümmerten mich nicht. Denn ich hatte ein unheimliches Glimmen an den Rändern meines Gesichtsfelds bemerkt. Ein Glimmen, das
     mit jeder Minute stärker wurde.
    Endlich erreichten wir die Anhöhe. Obwohl sie nicht sehr anstieg, war sie, wie ich gehofft hatte, trockener als die umgebenden
     Sümpfe. Aber meine Zuversicht sank. Es gab keinen sichtbaren Pfad hinauf! Der dichte Baumbestand bildete ein dickes Geflecht
     aus Ästen, so eng verwoben, dass noch nicht einmal mein zweites Gesicht über den äußeren Rand hinaussehen konnte. Nur ein
     paarLücken im Geäst gaben Einblicke in belaubte Tunnel zwischen den Bäumen. Tunnel . . . Der Gedanke ließ mich zusammenfahren.
     Vielleicht konnten wir hier doch noch eine Zuflucht finden.
    Hallia packte meine Schulter. »Diese Lichter! Sie kommen auf uns zu. Es sind bestimmt die Moorghule!«
    Ein gespenstischer, qualvoller Schrei stieg vom Moor auf. Ein zweiter folgte, dann ein dritter.
    »Kommt schnell.« Ich lief zu den Bäumen, stieg über die stämmigen Wurzeln und führte die anderen zu einer engen Lücke zwischen
     den Ästen. »Jetzt vorsichtig. Diese Dornen sehen mörderisch aus.«
    Weitere erschreckende Schreie ertönten hinter uns, während wir gebückt in den engen Tunnel gingen. Sofort umgaben uns Dunkelheit
     und der scharfe, süße Duft von Tannenzapfen. Der Tunnel bog nach links zur Mitte des Bestands, dann nach rechts, dann wieder
     nach links. Immer wenn er sich gabelte, wählte ich den schwierigeren Weg in der Hoffnung, er könnte mehr Schutz bieten. Während
     ich tiefer kroch, rissen Dornen an meiner Tunika, stachen mir in die Knie, in Nacken und Schultern. Hinter mir schrie Ector
     vor Schmerz auf. Mehr als einmal schlug Hallia mit der Faust auf den Boden, wie ein Hirsch wütend mit dem Huf aufstampft.
    Endlich erreichten wir eine breite Stelle im Tunnel. Vier oder fünf knorrige, gefurchte Stämme umstanden uns. Die Decke aus
     Dornen war zu niedrig, als dass wir stehen konnten, doch sie ließ Platz genug zum Sitzen oder Knien. Ich nahm an, dass wir
     bei der Mitte der Baumgruppe angekommen waren.
    Ich lehnte mich an einen der Stämme und leckte eineWunde am Handrücken. »Nun, hier ist unser Nachtquartier.«
    »Ich hatte schon schlimmere.« Ector zog seine Gewänder um die zerschundenen Schienbeine.
    Hallia rollte sich wie ein Damtier in eine Höhlung zwischen den Wurzeln. »Ja, das genügt völlig.« Sie berührte meinen Schenkel.
     »Wie fühlst du dich?«
    »Ziemlich gut.«
    »Alles, was wir brauchen«, sagte Ector im Dunkeln, »ist ein Bissen Abendbrot.«
    Ich erinnerte mich an die Frucht und zog sie aus meinem Lederbeutel. Sie war zwar ein bisschen zerquetscht, aber die Haut
     war unverletzt. Ich brach ein Stück ab, hielt es an die Nase und roch. Sofort erkannte ich den starken Duft, so üppig wie
     der von Bratenfleisch über einem Feuer.
    »Was riecht so?«, fragte der Junge.
    »Unser Abendessen«, antwortete ich. »Es ist eine Frucht, die Bäcker in Slantos weit im Norden für ihre besonderen Brote verwenden.
     Ich habe sie im Moor gefunden.«
    Hallia kam näher. »Glaubst du, dass man sie essen kann?«
    Ich brach die saftige Frucht auf und schleckte dann die Finger ab. »Für Zweifel bin ich zu hungrig. Und außerdem habe ich
     diesen Geruch nie vergessen können.«
    Ich gab jedem einen Teil, dann löste ich den breiten, flachen Kern aus der Mitte. Selbst im Dunkeln erkannte mein zweites
     Gesicht seinen roten Schimmer. Ich legte ihn auf den Boden und schlug ihn mit dem Griff meines Stocks in Stücke, die ich verteilte,
     aber erst nachdem ich mir ein paardavon in den Mund gesteckt hatte. Beim Kauen verströmten sie ihr Aroma. Und noch etwas, das mir das Gefühl gab, ich würde
     tatsächlich mein Schwert wiederbekommen – und leben, um es erneut zu schwingen.
    »Mmm, es schmeckt gut.« Ector lief der Saft übers Kinn. »Das Brot muss wunderbar sein.«
    »Das ist es«, bestätigte ich. »Die Leute in Slantos sagen, es kann dein Herz mit Mut füllen.«
    »Es schmeckt mir immer besser.« Hallia kaute begeistert.

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