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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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der gelbende Mond sich näher zum Horizont senkte,veränderte sich das Abendlicht. Die wogende Nebelwand schimmerte nun golden und ließ das Haar der beiden Mädchen ebenso leuchten
     wie das Gefieder einer vorbeifliegenden Möwe. Shallia setzte sich auf einen Haufen Treibholz, um den leuchtenden Nebel und
     darin ihre neu gefundene Freundin zu betrachten. Das Flüstern wurde etwas lauter und liebkoste sie mit besänftigendem Klang.
     Sie fühlte sich so anders als noch vor ein paar Stunden. Froh – nein, mehr als froh. In Wahrheit neu belebt. Wie ein verdurstender
     Reisender, dem endlich Wasser gereicht wird.
    Und doch . . . sie und Malasha hatten einander zwar gefunden, aber keine von ihnen konnte wirklich am Leben der anderen teilnehmen.
     Sie konnten nicht miteinander reden. Sie konnten sich nicht berühren. Über die Schulter schaute Shallia auf den untergehenden
     Mond. Die Bäume, die den Strand säumten, schimmerten im goldenen Licht nicht weniger als der Nebel. Wenn Mondstrahlen die
     Grenze zwischen den Welten überwinden konnten, warum dann nicht auch sie?
    Shallia seufzte und füllte ihre Lungen mit kühler, salziger Luft. Noch im Ausatmen sah sie, wie Malasha den Kopf zurückwarf
     und die Brust dehnte, als seufzte auch sie. In diesem Moment schnaubte ein großer Wal in der Ferne und holte ebenfalls tief
     Luft.
    Beide Mädchen lächelten. Auch wenn sie nicht dieselbe Welt teilen konnten, teilten ihre Welten doch dieselbe Luft. Und sie
     ebenfalls. Denn der Atem des Wals und der Möwe und aller Seegeschöpfe – war auch ihr eigener Atem.
    Einen langen Moment schauten sie einander an undatmeten im selben Rhythmus. Sie spürten ihre Verbundenheit stärker denn je, doch im gleichen Maß wuchs ihre Sehnsucht nach
     mehr. Dann trat Malasha, in Nebel gehüllt, einen Schritt näher. Sie lehnte sich in die dunstige Wand, schob sie zur Seite,
     riss sie mit den Händen auseinander.
    In Shallia kämpfte Hoffnung mit Angst, die Gefühle wechselten schneller, als eine Delfinschule durch die Wellen springt. »Zu
     mir! Sie kommt zu mir.«
    Das Flüstern der Wellen wurde lauter und schriller. Malasha zögerte einen Moment, dann riss sie weiter an der Schranke zwischen
     den Welten. Ängstlich stand Shallia da. Dann ging sie bis zum äußersten Rand des Strandes, griff in den Nebel und hoffte die
     Hand ihrer Freundin zu fassen.
    Plötzlich weiteten sich Malashas Augen, ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Sie griff nach ihrem Fuß und taumelte zurück
     in die kreisenden Nebel.
    »Malasha!«, rief Shallia.
    Es kam keine Antwort außer dem ansteigenden Flüstern, noch schriller als zuvor. Die Nebelwand bebte, verdunkelte sich und
     fing an zu reißen. Während Shallia verblüfft zusah, schmolz der dunstige Vorhang – und verschwand völlig mitsamt ihrer Freundin.
    Das Flüstern verstummte. Alles, was auf den Wellen blieb, waren die letzten goldenen Strahlen des untergehenden Monds. Sekunden
     später waren auch sie verschwunden. In tiefster Dunkelheit stand Shallia allein am Strand. Sie rief. Sie stampfte auf den
     Boden. Und fiel dann schluchzend auf die Knie.
    Danach kehrte Shallia jeden Abend zu ihrem Steinzurück und beobachtete die Wellen bis zum Morgengrauen. Sie sah keinen Nebel mehr, hörte kein Flüstern. Doch Nacht um Nacht
     hielt sie Wache. Sie kümmerte sich nicht mehr darum, ob ihre Großmutter ihr Versteck entdeckte. Oder ob eine zornige Welle
     aus dem Meer stieg und sie forttrug. Ihr lag nur daran wiederzufinden, was sie einen Moment lang gekannt – und dann verloren
     hatte.
    »Malasha, wo bist du?«, rief sie immer wieder zum Meer hinaus.
    Aber ihre Freundin antwortete nie.
    Eines Nachts, als ein Halbmond aufstieg und sich an den Rand des Horizonts hängte, saß Shallia allein da. Sie hatte schon
     so viel im Leben verloren. Und jetzt auch Malasha. Sie ballte die Fäuste. Das würde sie nicht zulassen. Auf keinen Fall! Aber
     was konnte sie tun? Es fiel ihr nichts ein, außer dass sie durch ein Meer von Speerfischen gehen würde – durch den Nebel selbst   –, falls das die einzige Möglichkeit war.
    Sie biss sich auf die Lippe. Durch den Nebel selbst . . .
    Langsam erhob sie sich auf ihrem Stein und streckte die Arme zum Meer. »Komm, bitte! Bring mich zu meiner Freundin.«
    Wie immer gab das Meer keine Antwort. Shallia ließ die Arme sinken. Niedergeschlagen wandte sie sich zum Gehen. Dann schaute
     sie ein letztes Mal aufs Meer.
    In der Ferne hob sich bleich und schlank wie der Mond ein

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