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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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anhaltende Flüstern.
    Dann sammelte sich eine dunkle, schwerfällige Nebelmasse in der Ferne. Mit hämmerndem Herzen sah Shallia, wie sie auf den
     Strand zujagte. Zu ihr. Das Flüstern wurde immer lauter, es übertönte die brandende See. Shallia wurde unruhig. Sollte sie
     von ihrem Sitz springen und zurück zur Hütte laufen? Aber ihre Finger krampften sich nur noch fester um den Stein.
    Die dunkle Masse kam näher und neigte sich landeinwärts. Mächtige, sich windende Arme traten hervor und streckten sich nach
     Shallia aus. Das Flüstern wurde zum Grollen, das Grollen zum Tosen.
    Plötzlich hielt die ganze Masse inne. Nebel schwebte über dem einsamen Mädchen, umschloss sie, bebte leicht, wo seine Ränder
     mit der Luft verschmolzen. Doch der Nebel kam nicht näher, berührte sie nie, genau wie er nie den Strand berührte.
    Im selben Moment drang das Licht des Vollmonds durch die Dämpfe. Dort, tief zwischen den gewundenen Nebelarmen sah Shallia
     andere Arme: zarter, schmächtiger, mehr . . . wie ihre eigenen. Mit Ellbogen. Und Händen. Und langen schlanken Fingern. Fingern,
     die sich bewegten! Eine neblige, im Mondlicht schimmernde Hand griff hinauf, um wehende, silbrige Haarsträhnen zu kämmen.
     Dann tauchte eine Schulter auf, ein Hals und ein Gesicht– das Gesicht eines großen glänzenden Mädchens, das im Nebel stand.
    Shallia schrak zusammen und fiel fast vom Fels. Das Mädchen reagierte, indem sie sich jäh drehte, die Hände an die Hüften
     legte und durch das verschleierte Fenster schaute, das sie von Shallia trennte. Ihre Augen leuchteten wie Sternenlicht auf
     den Wellen, als sie Shallia ansah. Einen Augenblick verstummte das Flüstern, als würde das Meer den Atem anhalten.
    Plötzlich warf das Mädchen den Kopf zurück – und lachte. Shallia konnte die Stimme der anderen nicht hören, aber sie spürte
     deutlich deren Heiterkeit. In ihren Knochen, in ihren Adern, in ihrem sterblichen Fleisch. Und dann tat Shallia ohne nachzudenken
     etwas, das sie seit sehr, sehr langer Zeit nicht gemacht hatte.
    Sie lachte laut.
    Das Nebelmädchen nickte und sprühte sich dabei Mondlicht auf die Schultern. Während sie sich eine silbrige Hand auf die Brust
     legte, begann das Flüstern wieder und schwoll zu einem Klang wie
Maaalaaashaaa
an.
    Langsam, mit prickelnder Haut erhob sich Shallia und stand auf ihrem Fels. »Malasha«, wiederholte sie. Dann berührte sie ihre
     Brust und nannte ihren Namen.
    Shaaaliaaa,
wiederholte der Nebel.
    Mit einer Handbewegung, so anmutig wie das Gleiten einer Welle über ein Riff, winkte Malasha einladend zum Strand herüber.
     Shallia zögerte kurz, dann kletterte sie von ihrem Sitz. Als sie auf den rauen, nassen Sand trat, ließ sie tiefe Fußspuren
     hinter sich. Inzwischen war Malasha in die gleiche Richtung gegangen, wobei sie immer in der Nebelwand blieb und überhaupt
     keine Spuren hinterließ.
    Während die beiden Mädchen parallel zueinander dahingingen, folgten sie der Küstenlinie. Als Shallia eine spiralförmige Muschel
     aufhob und umdrehte, bückte sich Malasha und hob auch etwas auf. Es sah aus wie ein gewundenes, leuchtendes Band: vielleicht
     eine Nebelschlange oder eine Art Pflanze aus Luft und Licht und halb vergessenem Traum. Fasziniert zeichnete Shallia einen
     Kreis in den nassen Sand zu ihren Füßen, worauf ihre Gefährtin einen leuchtenden Kreis in den Nebel malte.
    Und wieder lachten beide.
    Malasha drehte sich um und patschte lautlos durch die Nebelhüllen, dabei hob sie die Hände, als wollte sie einen unsichtbaren
     Regen spüren. Und Shallia folgte, ihre Füße klatschten durch die seichten Pfützen auf ihrer Seite der Grenze.
    Plötzlich sah Shallia eine Seeschildkröte, die sich ein Nest in den Sand grub. Sie blieb stehen und bückte sich und auch Malasha
     hielt an und beugte sich so dicht wie möglich zu den hellen Augen und dem gefleckten Panzer der Schildkröte. Eine Zeit lang
     beobachtete das Nebelmädchen das Tier gespannt – und niedergeschlagen. Shallia wusste, dass sich ihre Gefährtin wünschte durch
     die Nebelwand zu brechen, zwischen ihre Welten zu gehen. Denn Shallia wünschte sich das Gleiche.
    Den ganzen Abend erkundeten die beiden Mädchen die Ränder ihres gemeinsamen Strands. Sie sprangen wie Delfine im Mondlicht,
     jagten kreisende Nebelsterne, stolzierten seitlich wie Krebse, haschten nach Mondstrahlen. Und jedes Mal wenn eine von ihnen
     einen neuen Einfall hatte, verstand die andere ihn sofort. Ohne alle Worte.
    Als

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