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Merlin und der Zauberspiegel

Merlin und der Zauberspiegel

Titel: Merlin und der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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weiß, das ist schwierig.«
    »Aber du hast so viele«, beharrte ich und zeigte auf all die Bände. »Und sie sind außerdem alle ganz durcheinander.«
    Seine Mundwinkel hoben sich in einem leichten Grinsen. »Weil das Universum, mein Junge,
selbst
ganz durcheinander ist. Die einzigen Gliederungen in der Sphäre des Wissens sind von uns aufgestellt, verstehst du, nicht
     vom Kosmos. Physik, Poesie, Biologie, Philosophie – das alles sind Facetten desselben Kristalls. In einem weiteren Jahrtausend
     werden Wissenschaftler erkennen, dass genau die gleichen Fragen, die sie über subatomare Teilchen stellen, sich auch auf die
     Ursprünge der Galaxien anwenden lassen! Das wird mehr als nur ein paar von ihnen überraschen, was was?«
    Als er meinen verdutzten Blick sah, beugte er sich zu mir. »Mach dir keine Sorgen, Junge. So sind die Dinge nun mal. Das Universum
     wird uns immer überraschen, egal für wie klug wir uns halten. Das liegt in seiner Natur, wie es in der Natur der Menschen
     liegt, weiter zu versuchen es zu verstehen.«
    Unsicher, wie seine Worte aufzufassen waren, runzelte ich die Stirn. »Dann können wir das Universum nie wirklich verstehen?«
    Sein Grinsen wurde breiter. »Nicht völlig.«
    »Was
können
wir dann tun?«
    »Wir können darüber staunen.« Ein Licht, heller als die Wände um uns, leuchtete in seinen Augen. »Egal wie altdu wirst, mein Junge, verliere nie die Fähigkeit zu staunen.«
    Er griff nach einem dünnen Metallrohr, das am Rand eines nahen Bords lag. »Hier. Immer wenn meine Aufnahmebereitschaft für
     Überraschungen nachlässt, nehme ich das zur Hand.«
    Ich drehte das Rohr hin und her. »Was soll ich damit tun?«
    »Durchschauen natürlich.« Er klopfte auf ein Ende. »Diese Seite ist dir zugewandt.«
    Zögernd spähte ich mit meinem zweiten Gesicht durch das Rohr. Plötzlich sprang ich zurück, prallte gegen das Regal und ließ
     das Instrument auf den Steinboden fallen. »Eine riesige Gans! Ich habe . . .«
    »Mary gesehen, das ist alles.«
    Die Gans schaute wütend vom Esstisch herüber, an dem Artus weiterschmauste, und zischte laut.
    Der Zauberer bückte sich mit knackenden Knochen nach dem Rohr. »Das nennt man ein Fernrohr. Es bringt weit entfernte Dinge
     näher.« Ein Schatten flog über sein Gesicht. »Außer jenen, die du dir am meisten in der Nähe wünschst.«
    Er streckte die Arme aus, wie ich es so oft selbst tat, wenn ich versuchte den schwer fassbaren Schmerz zwischen den Schulterblättern
     zu lindern, diese Bürde aller Fincayraner. Nach einem Moment wagte ich zu fragen: »Müssen wir immer diesen Schmerz spüren,
     nur weil unsere Vorfahren vor so langer Zeit ihre Flügel verloren? Oder müssen wir irgendwie unsere Flügel wiederfinden, bevor
     wir davon befreit sind?«
    Als hätte er mich nicht gehört, trat er tiefer in die Höhle.
    Als ich ihn eingeholt hatte, betrachtete er nachdenklich einen Pflanzenkübel, der von einem lavendelfarbenen gebogenen Kristall
     hing. Sofort erkannte ich die Pflanze darin: Seegras, die Binse, die Hallias Clan am meisten schätzte. Als ich die dunkelgrünen
     Halme betrachtete, konnte ich ihre raue Oberfläche fast auf der Zunge spüren. Und ich konnte beinahe Hallias Bruder Eremon
     hören, der mir zum ersten Mal die vielen Verwendungszwecke des Hirschvolks für diese Binsen erklärt hatte. Aus ihnen wurden
     Körbe und Vorhänge gewebt, in Haselnussöl getränkt brachten sie Winterfeuer zum Brennen, zugleich waren sie ein Symbol für
     die Verbindung des Clans mit dem Netz der Welt – die erste Decke eines Neugeborenen und der Beerdigungsschal eines verstorbenen
     Freundes. Der Mund wurde mir trocken, als ich mich daran erinnerte, wie Hallia einen solchen Schal aus leuchtendem Grün um
     Eremons leblose Gestalt geschlungen hatte.
    Plötzlich bemerkte ich etwas Kleines, Dünnes zwischen den Binsen. Es war eine Haarlocke. Selbst im lavendelfarbenen Licht
     des Kristalls leuchteten deutlich die kastanienbraunen Töne.
    »Das . . .« Meine Kehle war zusammengeschnürt »Das ist von Hallia.«
    »Ja«, sagte der Alte wehmütig.
    Fragend drehte ich mich zu ihm um. »Was geschieht mit ihr?«
    Er gab keine Antwort.
    »Bitte«, flehte ich. »Du brauchst mir nichts über die verlorenen Flügel zu sagen. Oder ob ich jemals wieder mit eigenen Augen
     sehen kann. Oder irgendetwas anderes beantworten,das ich dich fragen könnte! Aber sag mir das: Geschieht ihr etwas Schreckliches? Uns?«
    Der Alte schaute nicht mich an, sondern die

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