Merlin und die Feuerproben
jemandem, der mich hielt. Ich war so klein … Aber ich mochte so gern den Klang seiner Hufe unter mir, stampf-stampf, stampf-stampf. Und den warmen Atem aus seinen Nüstern!
Immer wenn ich es im Schlossstall besuchte, brachte ich ihm einen Apfel mit, nur damit ich seinen warmen Atem auf meiner Hand
spürte.«
Sie berührte leicht meine Schulter. »Du hast dieses Pferd wirklich geliebt.«
Ich seufzte. »Die Erinnerung ist jetzt so verschwommen. Vielleicht war ich einfach zu jung. Ich weiß noch nicht einmal mehr
seinen Namen.«
»Vielleicht fällt er dir im Traum wieder ein. Das geschieht oft. Träume können die Vergangenheit zurückbringen.«
Ich biss die Zähne zusammen, als ich an den einzigen Traum dachte, der mir die Vergangenheit zurückbrachte. Immer und immer
wieder. Wie ich diesen Traum hasste! Er kam unvorhergesehen – aber er trug mich immer zum selben Platz zurück. Hinaus aus
den wirbelnden Nebeln um Fincayra, über das Meer, in ein ärmliches Dorf im Lande Gwynedd. Dort griff mich ein starker Junge
an – Dinatius. In meiner Wut beschwor ich meine verborgenen Kräfte und verursachte einen Brand, ein Feuer, das direkt aus
der Luft entstand. Diese Flammen! Sie versengten mirdas Gesicht, verbrannten die Haut meiner Wangen und Stirn. Ich verlor meine Sehkraft bei diesem Brand – während Dinatius,
fürchte ich, sein Leben verlor.
Der Traum endete immer gleich: Dinatius schrie im Todeskampf, seine Arme wurden vom brennenden Ast eines Baums zerquetscht.
Ich erwachte auch immer auf die gleiche Weise. Schluchzend, die Hände vor den blicklosen Augen. Mit dem Schmerz der Brandwunden.
Und was den Traum noch schlimmer machte: So hatte es sich wirklich zugetragen.
Ich schauderte und Rhia wand einen Finger um meinen. »Es tut mir leid, Merlin. Ich wollte dich nicht aufregen. Woran hast
du gedacht … an den Drachen?«
»Nein, nein. Nur an eigene Drachen.«
Sie ließ meinen Finger los und fuhr mit der Hand über den rauen Stein. »Das sind die schlimmsten.«
Ich schluckte. »Die allerschlimmsten.«
»Manchmal sind die Drachen anders, als sie scheinen.«
»Was willst du damit sagen?«
Sie sah mir direkt in die Augen. »Der Galator. Du weißt, dass er dir helfen könnte, Valdearg zu besiegen. Vielleicht ist er
sogar deine einzige Chance! Warum holst du ihn nicht zuerst? Bevor du dem Drachen gegenübertreten musst?«
Das Blut stieg mir ins Gesicht. »Weil dafür keine Zeit ist! Du hast doch gehört …«
»Ist das alles?«, unterbrach sie mich. »Dein einziger Grund?«
»Natürlich!«
»Wirklich?«
»Aber sicher!« Ich schlug mit der Faust auf den Stein. »Du glaubst doch nicht, dass ich mich fürchte vor …«
»Ja?«, fragte sie sanft.
»Vor Domnu.« Ich starrte sie verblüfft an. Wie konnte sie das wissen? Schon der Gedanke an diese hinterhältige alte Hexe ließ
mich schaudern. »Cairpré hat Recht. Du kannst einem wirklich unter die Haut sehen.«
»Vielleicht. Manchmal ist es leichter, die Drachen eines anderen zu sehen als die eigenen, das ist alles. Was diesen angeht,
so weiß ich nicht, ob du direkt zu Urnaldas Reich gehen solltest oder nicht. Die Zeit ist knapp, wie du sagst. Aber ich weiß,
dass du dich vor Domnu fürchtest. Sehr. Und du musst wissen, dass diese Furcht dein Denken beeinflusst. Und sehr wahrscheinlich
auch deinen Schlaf.«
Wider Willen musste ich lachen. »Du machst einem viel Ärger, weißt du. Aber manchmal … bist du den fast wert.«
»Danke.« Sie lachte auch.
Ich runzelte die Stirn. »Aber ich denke trotzdem, dass ich direkt zu Urnalda gehen sollte. Ich habe es ihr versprochen – und
sie braucht jetzt Hilfe. Weißt du noch, was sie gesagt hat?
Mein Volk sein heute angegriffen wie nie zuvor.
«
»Wenn du es schaffst, ihr irgendwie zu helfen, dann wird sie dir wahrscheinlich wenig Dank wissen.«
»Oh doch – auf ihre Art. Sie ist ruppig, das stimmt. Und leicht zu erzürnen. Aber wenigstens kann man ihr vertrauen. Im Gegensatz
zu Domnu! Urnalda will nur, dass ihr Volk in Sicherheit ist.« Ich überlegte. »Selbst wenn ich den Galator wiederbekommen könnte,
würde ich es nicht rechtzeitig schaffen, ihr zu helfen. Außerdem würde ich nie herausbekommen, wie er eingesetzt werden muss.
Was würde er mir also nützen, falls ich ihn irgendwie von Domnu zurückbekommen könnte?«
Ich schaute hinauf zu dem Meer von Sternen über uns. »Außerdem: Vielleicht weiß Urnalda etwas über den Drachen, das mir helfen
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