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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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ertränken.«
    Ich fasste sie am Ellbogen und lief auf den Umriss zu. Die Gestalten krümmten sich heftiger und umkreisten uns, aber wir entkamen
     ihnen. Endlich waren wir am Rand der Insel. Als wir sie betraten und die unheimlichen Erscheinungen hinter uns ließen, dauerten
     die Klageschreie an.
    Völlige Schwärze umgab uns, während wir höher stiegen. Obwohl glitschige Ranken unter unseren Füßen glucksten, schien das
     Land ziemlich trocken zu sein. Und fest. Mit meinem zweiten Gesicht betrachtete ich das Gelände. Nur die massige Erhebung
     in der Mitte, finster und geheimnisvoll, unterbrach die glatte Oberfläche der Insel.
    »Hier gibt es keine Lebewesen«, stellte ich fest. »Noch nicht einmal eine Eidechse. Warum wohl, was glaubst du?«
    Rhia streckte sich müde. »Ich weiß nicht. Ich bin bloß froh, dass diese
Dinger
nicht hier sind.«
    Ich näherte mich der Erhebung und erkannte, dass es ein großer Felsblock war, etwa so hoch wie eine junge Eiche. Ich erstarrte.
     »Hier gibt es doch keine lebenden Steine, oder?«
    »Nein. Sie ziehen höheres Gelände vor, in den Hügeln dort drüben. Hier im Moor plagen uns andere Geschöpfe.«
    Vorsichtig ging ich näher an den Felsblock heran. Ich klopfte mit meinem Stock darauf. Ein bisschen Moos brach ab und fiel
     langsam zu Boden. Ich legte die Handauf den Felsen und drückte dagegen, bis ich von seiner Festigkeit, von seiner Steinnatur überzeugt war.
    »Nun gut. Aber es kommt mir immer noch merkwürdig vor – ein riesiger Felsblock ganz allein mitten in einem solchen Sumpf.
     Als hätte ihn jemand aus irgendeinem Grund hierher gelegt.«
    Rhia drückte mir den Arm. »Wenn er ganz allein steht, dann kannst du wenigstens sicher sein, dass es kein lebender Stein ist.
     Sie sind immer in Gruppen, fünf oder sechs zusammen.« Sie gähnte. »Merlin, ich bin am Umfallen. Wie wäre es mit einer kleinen
     Ruhepause? Bis zum Morgengrauen?«
    »Ich bin auch dafür.« Ich gähnte ebenfalls. »Dort hinaus gehen wir jedenfalls nicht, bevor es wieder hell ist. Leg dich hin.
     Ich übernehme die erste Wache.«
    »Wirst du auch munter bleiben?« Sie deutete zum Sumpf, wo der Chor qualvoller Laute weiterheulte. »Wir wollen keine Besucher
     haben.«
    »Mach dir keine Sorgen.«
    Gleichzeitig ließen wir uns am Fuß des Felsens auf den Boden fallen. Obwohl ich so müde war, lehnte ich mich steif an den
     Stein, entschlossen wach zu bleiben. Eine scharfe Kante stach in die empfindliche Stelle zwischen meinen Schulterblättern,
     aber ich rührte mich nicht. Es war besser, die Sicherheit von etwas Festem hinter sich zu haben. In dieser Nacht würden uns
     keine Sumpfwesen mehr überraschen.
    Rhia hatte sich zu meinen Füßen ausgestreckt, jetzt drückte sie meinen Knöchel. »Danke, dass du die erste Wache übernimmst.
     Ich bin nicht daran gewöhnt, dass sich unterwegs jemand um mich kümmert.«
    Ich knurrte müde. »Das kommt daher, dass niemand unterwegs mit dir Schritt halten kann.« Dann setzte ich hinzu: »Es ist unsere
     Mutter, fürchte ich, um die man sich kümmern muss. Bestimmt ist sie jetzt sehr einsam.«
    »Mutter!« Rhia rollte sich auf die Seite. »Sie hat Angst, macht sich wahrscheinlich schreckliche Sorgen um uns – aber einsam
     ist sie nicht. Sie hat Cairpré. Er wird an ihr kleben wie Harz an der Tanne.«
    »Glaubst du wirklich?« Ich ließ den Stock durch die Finger gleiten. »Er hat immer so viel zu tun. Ich dachte, er würde sie
     irgendwo unterbringen und dann seiner Wege gehen.«
    Rhias Lachen mischte sich in die Geräusche aus dem Sumpf. »Hast du nicht gemerkt, was mit ihnen geschehen ist? Wirklich! Du
     musst so unempfindlich wie dieser Stein hier sein, wenn es dir entgangen ist.«
    »Nein«, fuhr ich sie an. »Mir ist nichts entgangen. Du willst doch nicht sagen, dass sie   … nun,
Interesse
aneinander haben?«
    »Nein. Das haben sie schon längst hinter sich.«
    »Du glaubst, sie verlieben sich?«
    »Das stimmt.«
    »Jetzt komm schon, Rhia! Du träumst, bevor du eingeschlafen bist. So etwas passiert nicht   … nun   …«
    »Ja?«
    »Müttern! Jedenfalls nicht
unserer
Mutter.«
    Sie kicherte. »Manchmal, lieber Bruder, erstaunst du mich. Ich glaube wirklich, du warst in den letzten Monaten so mit deiner
     Ausbildung beschäftigt, dass du die ganze Sache nicht mitbekommen hast. Außerdem kann es jedem passieren, dass er sich verliebt.
     Sogar dir.«
    »Oh, sicher«, spottete ich. »Als Nächstes wirst du mich überzeugen wollen, dass wir in

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