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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Nordrand der Druma? Oder ein anderer?«
    Sie trat mit ihrem Rindenstiefel auf einen Torfhügel und prüfte seine Festigkeit, bevor sie darüber stapfte. »Es ist ein Teil
     des großen Sumpfes. Aber mehr kann ich dir nicht sagen. Wir sind viel östlicher als die Route, die ich normalerweise nehme,
     weil ich den kürzesten Weg eingeschlagen habe. Ich dachte, so würden wir Zeit gewinnen.« Leise setzte sie hinzu: »Ich hoffe,
     ich hatte Recht.«
    Der Schlamm saugte an meinen Stiefeln. »Ich auch.«
    Ich wusste, der Sumpf war nicht das einzige heimtückische Gelände, das vor uns lag. Auf der anderen Seite würden wir die nebelverhüllten
     Klüfte der lebenden Steine erreichen. Zu oft hatte ich Geschichten von Reisenden gehört, denen plötzlich Beine, Arme oder
     Köpfe abgetrennt und von felsigen Kiefern zermalmt wurden. Und ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie ein lebender Stein
     fast meine Hand geschluckt hatte.
    Wir wateten durch eine überflutete Strecke und stiegen über verrottende Stämme und Äste. Als wir dann Gras unterden Füßen hatten, war die Sonne hinter einer Wolkenwand verschwunden. Ich schaute über die Schulter zum westlichen Horizont.
     Rhia sah in dieselbe Richtung, dann sagte sie: »Es ziehen immer mehr Wolken auf, Merlin. Heute Nacht gibt es keine Sterne,
     nach denen wir uns richten können. Wenn wir nicht vor der Dunkelheit auf der anderen Seite sind, müssen wir uns auf dein zweites
     Gesicht verlassen.«
    Ich atmete tief ein, obwohl die Luft nach Verrottendem stank. »Das macht mir keine Sorgen. Mich beunruhigt, was in diesem
     Sumpf lebt. Und was sich im Finstern regt.«
    Schweigend zogen wir weiter, bis zu den Knien stapften wir durch Wasser. Im schwindenden Licht stiegen merkwürdige Geräusche
     aus dem Moor. Von einer Seite kam ein dünnes, unsicheres Summen; hinter uns platschte plötzlich etwas – wir fuhren herum und
     sahen nichts. Dann ein lauter Schlag und ein Schmerzensschrei, als wäre jemandem der Schädel gespalten worden. Bald hallte
     fernes Geheul durch die dunkelnden Nebel.
    Ohne Vorwarnung glitt etwas an meinem Schienbein vorbei. Ich sprang zur Seite und verlor dabei meinen Stiefel. Was mich erschreckt
     hatte, war schnell verschwunden, doch wir brauchten einige Minuten, bis wir meinen Stiefel aus dem Schlamm gezogen hatten.
    Der Sonnenuntergang war in dem düsteren Licht kaum zu bemerken. Als die Dämmerung ringsum zunahm, schwollen die wilden Geräusche
     an. Rhia stolperte plötzlich und fiel in einen stinkenden Teich. Als sie herausstieg, sah ich, dass sich ein riesiger Blutegel,
     so lang wie mein Unterarm, an die tropfenden Blätter auf ihrem Rücken klammerte. Er kroch auf ihren Nacken zu. Mit meinemStock stieß ich ihn hinunter. Das Geschöpf zischte schrill, bevor es auf den Boden klatschte.
    Das Licht wurde immer schwächer. Ich prüfte die Festigkeit des Bodens mit meinem Stock, damit wir Löcher mit Treibsand umgingen
     – und was sonst noch in den Tiefen lauerte. Wir stapften weiter und versuchten immer nach Norden zu gehen. Aber wie konnten
     wir ohne Sonne, Mond oder Sterne die Richtung beibehalten? Jedes Hindernis, jede Wegbiegung erschwerte zusätzlich die Orientierung.
     Schon zusammenzubleiben wurde mit jeder Minute schwieriger.
    In der zunehmenden Schwärze stiegen seltsame Gebilde aus dem Moor, krümmten und wanden sich. Zuerst versuchte ich mir einzureden,
     es seien nur Gase, die aus der Tiefe stiegen. Oder Schatten – eine Täuschung des schwindenden Lichts. Aber ihre dämonischen
     Formen bewegten sich nicht wie Gase. Oder Schatten. Sie verhielten sich   … wie Lebewesen.
    Die Gestalten fingen an zu seufzen, fast zu weinen. Dann stießen sie plötzliche Schmerzensschreie aus – Schreie, die mir wie
     Eiszapfen in die Ohren stachen. Obwohl wir schnell gingen, kamen die Gebilde immer näher. Eine Hand oder was aussah wie eine
     Hand fasste nach meiner Tunika. Ich wich ihr aus und stolperte fast.
    Da entdeckte ich im fast Finstern einen undeutlichen, schräg abfallenden Umriss. Bis auf die Erhebung in der Mitte war er
     so rund wie der Rücken einer großen Schildkröte. Eine Insel! Obwohl die wirbelnden Gebilde meine Sehkraft beeinträchtigten,
     kam es mir vor, als sei die Insel ganz ohne Leben.
    »Rhia«, rief ich. »Eine Insel!«
    Sie blieb stehen. »Bist du sicher?«
    »Es sieht so aus.«
    Sie sprang zur Seite, um einer Gestalt auszuweichen. »Dann nichts wie hin! Bevor diese Dinger – geh weg, du! – uns im Schlamm
    

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