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Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
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Stimme klang noch voller als zuvor.
     »Meine Schwester und ich wollten dir helfen, wie du uns geholfen hattest.«
    Hallia runzelte besorgt die Stirn, während sie mit ihrer schmalen Hand das dicke Nackenfell des Hirschs streichelte. Leise
     sagte sie: »Einmal sollte genug sein, mein Bruder. Die Hilfe ist vergolten. Musst du wirklich noch mehr tun?« Sie schaute
     zu mir herüber und ihr Gesichtsausdruck wurde hart. »Und einem Menschen zuliebe? Muss ich dich daran erinnern, dass Menschen
     unsere Eltern umgebracht haben? Dass sie unserer Mutter und unserem Vater die Schultern herausgeschnitten haben, um sie zu
     verzehren   … und den Rest ihrer Körper verfaulen ließen?«
    Ihre Blicke trafen sich. Schließlich sagte Eremon sanfter als zuvor: »Eo-Lahallia, dein Schmerz ist groß wie alles, was du
     fühlst. Doch ich fürchte, statt dein Leid zu durchqueren, wie du und ich viele Moraste durchquert haben, hast du es an dir
     haften lassen wie eine blutdürstige Zecke, die sich monatelang an unseren Rücken klammert.«
    Hallia blinzelte die Tränen zurück. »Diese Zecke wird nicht abfallen.« Sie schluckte. »Und   … noch etwas. Vergangene Nacht, nachdem wir unsere zweibeinige Gestalt angenommen hatten, träumte ich. Es war ein schrecklicher
     Traum! Ich kam an einen   … dunklen und gefährlichen Ort. Ich glaube, da war ein Fluss mit starker Strömung. Und direkt vor mir der Körper eines Hirschs.
     Überall Blut! Er zitterte am Rande des Todes. Allein der Anblick brachte mich zum Weinen! Gerade als ich ihm nahe genug kam,
     um in seine Augen zu schauen, wachte ich auf.«
    Eremon kickte nervös mit dem Huf gegen das Gras. »Wer war dieser Hirsch?«
    »Ich   … weiß es nicht.« Sie schlang die Arme fest um seinen Hals. »Aber ich möchte nicht, dass du stirbst!«
    Beim Zuhören wurde mir das Herz schwer vor Angst. Nur zu gut erinnerte ich mich an Rhias Abschiedsumarmung im Quellgebiet
     des Flusses und an meine Sehnsucht, wieder bei ihr zu sein. »Achte auf ihre Warnung!«, beschwor ich Eremon. »So sehr ich mir
     auch deine Hilfe wünsche, das wäre ein zu hoher Preis. Nein, ich muss allein tun, was ich tun muss.«
    In Hallias Augen flackerte Erleichterung auf.
    Eremon beobachtete mich. »War die Trennung von deiner Schwester schwer für dich?«
    Seine Vermutung überraschte mich, doch ich nickte.
    Er neigte das Geweih, so dass ein Spross leicht Hallias Wange streifte. »Kann ein Volk, in dem Brüder und Schwestern einander
     so lieben, ganz böse sein?«
    Hallia schwieg.
    Der Hirsch hob den mächtigen Kopf und sagte zu mir: »Mein eigenes Volk, die Hirschmenschen, haben langeAngst und Wut gegenüber deinem empfunden. Ich weiß nicht, ob es dazu beiträgt, uns ans Volk der Männer und Frauen zu binden,
     wenn ich dir helfe. Doch das weiß ich: Es ist richtig, einem anderen Geschöpf zu helfen, gleich wie seine Fährte aussieht.
     Und ich werde es tun.«
    Hallia holte hörbar Atem. »Steht   … dein Wille fest?«
    »Absolut fest.«
    »Dann«, erklärte sie und zitterte am ganzen Körper, »werde ich mit dir gehen.«
    Sie hob die Hand, als Eremon protestieren wollte. »Ist deine Entscheidung zu respektieren, aber meine nicht?« Sie spürte seine
     Angst und streichelte sanft sein Ohr. »Wenn ich weinen muss, dann lieber an deiner Seite als irgendwo fern von dir.«
    Zart berührte der Hirsch mit der feuchten Nase die ihre. »Du wirst nicht weinen.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Und ich
     hoffe, ich auch nicht.«
    Hallia trat von ihrem Bruder zurück. Sie schaute hinunter auf ihre Hände und streckte die Finger im Sonnenlicht. Dann wandte
     sie sich zum offenen Feld; der Spierstrauch duftete stark unter der Mittagssonne. In Blitzesschnelle lief sie davon, sprang
     dann und flüchtete schließlich mit der Anmut eines Damtiers durch die grünen Halme. Sie kehrte um und hüpfte zu uns zurück,
     ihre Hufe tänzelten leicht übers Gras.
    Eremon zuckte mit den Lauschern, dann sah er mich an. »Jetzt zu dir.«
    Überrascht trat ich zurück, rutschte vom schlammigen Ufer und landete mit einem Platsch im Bach. Tropfnass, mit einer Schlammspur
     im Gesicht, kletterte ich zurück ins Gras.
    Hallia wich meinem Blick aus, aber ihr Kichern entging mir nicht. »Auch wenn er ein Zauberer ist, könnte er ein bisschen mehr
     Übung im Gehen auf zwei Beinen brauchen, bevor er es mit vieren versucht.«
    »Er wird es schnell lernen«, prophezeite Eremon.
    »M-moment mal«, stotterte ich und wrang meine Ärmel aus.

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