Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Merlin und die Feuerproben

Merlin und die Feuerproben

Titel: Merlin und die Feuerproben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas A. Barron
Vom Netzwerk:
Stöhnen, teils Zischen, teils Winseln,
     wurde er lauter, bis er plötzlich erstarb. Schlamm lief mir über den Nacken, aber ich bewegte mich nicht. Ich atmete kaum
     – doch der widerliche Geruch ekelte mich mehr denn je. Ich konnte nur hoffen, dass dieses Geschöpf, was es auch sein mochte,
     mich nicht mehr beachtete und verschwand.
    Dann begann ganz allmählich ein schwacher oranger Schimmer die Höhle zu erleuchten. Zuerst wusste ich nicht, woher er kam,
     denn sein Flackern warf merkwürdige plumpe Schatten an die Wände, die wuchsen und schwanden: schleichende Riesen, sich windende
     Schlangen, umstürzende Bäume. Doch endlich entdeckte ich denUrsprung: ein oranges Lichtdreieck nicht weit über dem Boden am Ende der Höhle. Das Licht flackerte und zitterte wie eine
     Kerzenflamme im Wind.
    Obwohl mich die Furcht gepackt hielt, machte ich das Einzige, was mir einfiel. Mit beiden Händen schaufelte ich Schlamm vom
     Boden, drückte ihn zu einem Ball und schleuderte ihn auf das leuchtende Dreieck. Ein Klatschen – und sofort erlosch das Licht.
     Zugleich kam das Winseln und Stöhnen wieder, diesmal schwoll es so an, dass ich mir die Hände auf die Ohren legen musste.
     Ich kroch näher zur Rückwand.
    Plötzlich verschob sich die ganze Wand hinter mir. Schlamm rann über meinen Kopf. Einen Augenblick glaubte ich, der Uferdamm
     würde über mir zusammenbrechen. Doch die Erdwand blieb stehen und tat, was ich am wenigsten erwartet hatte.
    Sie atmete. Zitternd vor Anstrengung holte die ganze Oberfläche langsam, zögernd Luft. Stinkender Wind wehte über mich und
     wirbelte durch die Höhle. Ohne an Valdearg zu denken rollte ich zu dem Vorhang aus nassem Gras und hoffte noch rechtzeitig
     fliehen zu können.
    Gerade als ich am Rand der Höhle war und fast in die brausenden Wellen draußen stürzte, brach der lange Atemzug ab. So plötzlich,
     wie er begonnen hatte, hörte er auf. Bestimmt war es einer der letzten Atemzüge – wenn nicht der allerletzte – eines Geschöpfs
     am Rande des Todes. Oder das Wesen war schon tot. Ich blieb am Eingang und beobachtete den Weg eines Lichtstrahls, so rot
     wie die untergehende Sonne, der dort, wo meine Schulter das Gras zur Seite geschoben hatte, in die Höhle fiel. Er landete
     auf der Stelle, wo ich das leuchtende Dreieck gesehen hatte.
    Mein Herz setzte ein paar Schläge aus. Denn dort lag im schwarzen Schlamm ein riesiger Kopf – zweimal so groß wie der Kopf
     eines ausgewachsenen Pferdes. Ein Drachenkopf.
    Sein Auge, dessen unheimliches Licht die Höhle noch vor ein paar Sekunden erleuchtet hatte, war jetzt geschlossen. Lange Wimpern
     umrahmten das Lid, ein paar Schalensplitter hingen daran. Eine schmutzig gelbe Beule wuchs auf der Stirn, lavendelfarbene
     Schuppen bedeckten die runzlige Nase. Dutzende Zähne, scharf wie Degen, glänzten im halb geöffneten Maul. Merkwürdigerweise
     lag nur das linke Ohr schlaff im Schlamm. Das rechte, silbrigblaue Ohr ragte steif in die Luft wie ein Horn am falschen Platz.
    Plötzlich durchströmte mich Mitleid. Welches Schreckensbild hatte diesen jungen Nestling aus seinem Ei gejagt und in das Versteck
     der Höhle getrieben? Meine Haut prickelte, als ich mich daran erinnerte, wie der große Körper meinen Rücken berührt hatte,
     eine Bewegung, die vielleicht seine letzte gewesen war. Ein unerklärlicher Instinkt sagte mir, dass dieser Drache ein Weibchen
     war. Wenn das stimmte, würde es nie die Chance haben, eigene Eier zu legen.
    Ich streckte mich und riss ein paar Hand voll Gras aus, die über dem Eingang hingen. Noch mehr rotes Licht drang in die Höhle.
     Ich strengte mein zweites Gesicht an und erspähte ein Paar scharfe Klauen, purpurrot gefleckt, die aus dem Schlamm ragten.
     Nicht weit von der Stelle, wo ich mich kurz ausgeruht hatte, lag zusammengerollt ein Schwanz mit zwei hakenförmigen Stacheln.
     Ich betrachtete wieder den Kopf und lächelte traurig über daswiderspenstige Ohr. Nichts, noch nicht einmal der Tod, konnte es umlegen.
    Welche Verletzungen mochte der Drache haben? War er verhungert? Verblutet aus tödlichen Wunden, die ich nicht sehen konnte?
     Oder hatte er wie jedes verlassene Kind einfach an Angst und Kummer gelitten – bis er schließlich gestorben war?
    In diesem Moment ertönte wieder ein tiefes Stöhnen, schwächer als zuvor. Er lebte noch! Der riesige Körper des Drachen schauderte
     und ließ den Boden beben. Schlammklumpen fielen von oben herunter und bespritzten mir Kopf und Schultern.

Weitere Kostenlose Bücher